Marketing bis in den Tod

Manchmal greift man sich an den Kopf, wenn man Nachrichten aus der Sponsoring– und Marketing-Welt hört. Da geht es zu wie im Kindergarten. Aber einem mit ganz bösen (und ganz dummen) Kindern.

Nehmen wir das Frankfurter Waldstadion, in dem seit unvordenklichen Zeiten die Eintracht Frankfurt (leider nicht immer sehr erfolgreich) ihre Bundesligaspiele austrägt. 

Waldstadion – was für ein schöner und passender Name, denn es liegt wirklich mitten im Wald! Aber das Stadion war in die Jahre gekommen, es mußte abgerissen und durch ein moderneres ersetzt werden. Der Sponsor, die Commerzbank, zahlte laut Wikipedia an den städtischen Betreiber des Stadions an die 30 Mill. Euro – dafür lautet nun der offizielle Name für einen Zeitraum von zehn Jahren „Commerzbank-Arena“.

Um es ganz deutlich zu sagen: gegen wohltätige Spenden für das gemeine Wohl ist nichts einzuwenden, sie hat es schon immer gegeben. Nur haben sich früher die (damals wirklich edlen!) Spender im Hintergrund gehalten. Sie wollten einfach nur etwas Gutes tun.

Die Manager in dieser unserer Zeit sind von anderem Kaliber. Wenn sie schon Geld hergeben, dann kann es nicht laut genug hinausposaunt werden. Eine einfache Tafel am Eingang des Waldstadions mit einem Dank an den Spender – das wäre angemessen gewesen. Aber nein: der Schriftzug „Commerzbank-Arena“ auf dem Stadion ist jetzt „eine der größten Leuchtreklamen der Welt“ (Wikipedia). Er erreicht in seiner Größe fast das berühmte „Hollywood“-Monument in Los Angeles.

Leider ist das kein Einzelfall. Man braucht sich nur umzusehen – überall wollen unsere Manager große Spuren hinterlassen (davon ist übrigens das Wort „großspurig“ abgeleitet). Man denke nur an die Allianz Arena in München (natürlich ohne den im guten Deutsch verbindlichen Bindestrich!), an den Signal Iduna Park in Dortmund, die Veltins-Arena in Gelsenkirchen, die Mercedes-Benz Arena in Stuttgart, das RheinEnergieStadion in Köln usw.

Tue Gutes und rede darüber, hat man früher ironisch gesagt. Aber das genügt heute nicht mehr. Tue Gutes und zwinge deinen Vertragspartner rechtsverbindlich, darüber in einem fort zu reden – so ist es heute.

Da stellt sich aber schon die Frage, warum zum Beispiel unsere Sportreporter, die doch von Hause aus Journalisten und nicht Marketingleute sind (und ihr Geld nicht von der Commerzbank bekommen, sondern von uns), warum auch sie also brav diese durch viel Geld erkauften, dummen Namen ständig nachplappern! Wer kann einen unabhängigen Journalisten zwingen, nicht mehr vom „Waldstadion“ zu reden, sondern von der „Commerzbank-Arena“?

Und noch ein kleiner Nachtrag, das Marketing durch Todesanzeigen betreffend. Wenn ein Firmengründer, ein Geschäftsführer stirbt, dann können die zum Beispiel im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung geschalteten Todesanzeigen gar nicht groß genug sein. Manchmal füllen sie ein, zwei Seiten. Das ist eine über das Ende des Lebens hinausgehende Großmannssucht, eine Protzerei, die inzwischen jedes Maß überschreitet. Der Gründer eines mittelständischen Unternehmens, der Chef einer bedeutenden Anwaltskanzlei erlebt nach seinem Tod etwas, das an die Vergöttlichung der Kaiser im alten Rom erinnert.  Est modus in rebus, heißt es aber doch – es soll ein menschliches Maß sein in den Dingen. Da sollte es sich verbieten, auch noch die Todesanzeige (sozusagen als Kollateral-Nutzen) zu einer Werbefläche zu machen.

Vor vielen Jahren habe ich völlig überraschend in der F.A.Z. die Todesanzeige eines meiner Professoren gelesen. Clemens Heselhaus war gestorben, sicher einer der besten Droste-Kenner Deutschlands, wenn nicht überhaupt. Die Anzeige war klein und bescheiden. An ihr war nichts Prahlerisches, Übertriebenes. Sie war ehrlich und hatte Stil.

Aber Stil und Maß – das sind Dinge, die man sich für Geld nicht kaufen kann.

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