Bewerbung einer Schlecker-Frau um eine neue Stelle

So hätte sie vor langer Zeit vielleicht ausgesehen:

Hochwohlgeborener, hochgeehrter Herr Filialleiter!
Euer Gnaden suchen für Ihre Filiale in Jügesheim eine Kassiererin. Sollte diese Stelle noch nicht vergeben sein, so erlaube ich mir, mich bei Euer Gnaden dazu angelegentlichst zu empfehlen. Entsprechend dem Ausschreiben in der Frankfurter Rundschau gebe ich meine Personalien wahrheitsgemäß an, wie folgt: ich bin geboren den 12. Februar 1968 und bin die Tochter des Samuel Reinöl, Gutspächter in Patershausen. Bis zum 10. Jahre besuchte ich die Grundschule, von da ab bis zum 16. Jahre die Hauptschule. Da ich mich dem Einzelhandel widmen wollte, wurde ich nach Erstehung des erforderlichen Examens in dem Schleckerschen Markt in Isenburg aufgenommen. Da nun aber dieser Markt, wie auch die meisten andern, in Konkurs gegangen ist, so löst sich dieser Kontrakt am 1. des Monats, weshalb ich zu obiger Bewerbung geschritten bin.

Zeugnisse über meine Bildungslaufbahn und meine seitherige praktische Thätigkeit erlaube ich mir in amtlich beglaubigten Abschriften hier beizuschließen. Sollten Euer Hochwohlgeboren geneigt sein, mir genannte Stelle anzuvertrauen, so würde es mein aufrichtiges Bestreben sein, Euer Gnaden Gunst durch tüchtige Leistungen und Gewissenhaftigkeit zu erwerben

Euer Hochwohlgeboren ergebenste
Leonore M.

PS: Wissen Sie, was ein Briefsteller ist? So nannte man bis ins 20. Jahrhundert hinein Sammlungen von Musterbriefen für alle Lebenslagen, die anhand von Beispielbriefen zeigen sollten, wie man sich zum Beispiel um eine Stelle bewirbt. Das obige Beispiel habe ich (mit einigen wenigen Änderungen) dem „Vollständigen Universal-Briefsteller“ von F. Brunner entnommen, der um 1900 erschienen ist.

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