Die ganze bunte Welt des Computers reduziert sich, je näher man seinem Innersten rückt, auf die Ziffern 0 und 1. Die Piraten, die sich aus einer Generation speisen, für die das Internet viel mehr ist, als es verdient, halten es eher mit der Null als mit der Eins.
Gelegentlich liest man beschwichtigend, auch die Grünen hätten doch einmal so angefangen. Einen dümmeren Satz habe ich lange nicht gelesen.
Die grüne Bewegung, deren Anfänge weit in die 70er Jahre zurückreichen, hatte schon in ihren allerersten Ursprüngen ein inhaltliches Ziel: die Bewahrung der Natur – und das in einer Zeit, als die meisten Menschen noch betrunken waren von Hochhäusern aus Beton und immer mehr Autobahnen. Der sozialdemokratische Verkehrsminister Georg Leber wollte damals gar durchsetzen, daß kein Bürger mehr als 25 km bis zur nächsten Autobahnzufahrt haben sollte. Wer noch Ansichtskarten aus diesen Jahren besitzt, sieht, wie stolz selbst kleine Städtchen waren, wenn sie nur genügend Straßen, Hochhäuser und Betoniertes aller Art hatten. Und mitten in dieser öffentlichen Meinung, die auf ihre Weise auch völlig betoniert war, traten die ersten Menschen auf, die unter dem Hohngelächter der „fortschrittlichen“ Mehrheit gegen die Denaturierung ihres Landes ankämpften. Sie waren für die meisten Menschen nur „Spinner“ und „Naturapostel“.
Einer von ihnen war Herbert Gruhl, damals noch Abgeordneter der CDU im Deutschen Bundestag. Vor ein paar Tagen habe ich beim Aufräumen im Keller sein Buch „Ein Planet wird geplündert“ (1975) wiedergefunden. Natürlich ist einiges überholt, aber vieles ist auch frisch, und den Grünen täte eine neuerliche Lektüre gut. Denn der Planet wird heute in einem für Gruhl damals unvorstellbarem Ausmaß „geplündert“ – nur diesmal (wie im Fall der „Bio-Energie“, des „Bio-Sprit“ usw.) unter dem lauten Beifall der grünen Bewegung. Daß sich Linke (bis hin zu maoistischen Gruppen) organisatorisch und inhaltlich in die Bewegung hineingedrängt haben, schadet den Grünen bis auf den heutigen Tag.
Und die Piraten? Haben sie irgendetwas außer einem lustigen Namen und Werbesprüchen wie „Transparenz“? Nichts, gar nichts. Wollen sie überhaupt irgendetwas? Jedenfalls nichts, was in den Kernbereich politischer Gestaltung gehört. Natürlich, man will volle Freiheit im Internet, keine „Zensur“ (so nennt man jede Einschränkung, selbst wenn sie mehr als gerechtfertigt ist), aber das alles ist doch dürftig genug. Wenn man Interviews mit Vertretern der Piraten hört oder liest, möchte man in den Boden versinken vor so viel Schlichtheit.
Also bitte keine Vergleiche mit der Anfangszeit der grünen Bewegung! Die Piraten vertreten allenfalls jenen Teil der heutigen Generation Internet, der so gut wie unpolitisch ist, alles auf Teufel komm raus und immerzu nur locker sieht und halt irgendwie gut drauf ist.
Aber halt! Gerade lese ich: zumindest die Piraten im hessischen Gießen haben ein Thema gefunden – den Kampf gegen das Tanzverbot an Karfreitag. Sie wollen an diesem Tag eine „Tanz-Demo“ veranstalten.
Na bravo.