Lucia Puttrich (CDU) ist hessische Umweltministerin. Sie ist Diplom-Betriebswirtin, hat im elterlichen Handwerksbetrieb gearbeitet und wurde dann – ehe sie in die Politik ging – Geschäftsführerin eines papierverarbeitenden Unternehmens. Das ist genau die richtige Qualifikation, um in Hessen Umweltminister zu werden. Für 4,5 Millionen Euro hat sie eben erst auf Kosten des Steuerzahlers eine ziemlich windige „Akzeptanzinitiative“ für die erneuerbaren Energien gestartet.
Der Rheingau-Taunus-Kreis – um ihn soll es heute gehen – ist für Frau Puttrich einer der drei hessischen Kreise, die für die Windenergie „besonders prädestiniert“ sind (hier nachzulesen):
Der Hinterlandswald als das größte zusammenhängende Waldgebiet des Bundeslandes und das zum Rhein hin abfallende Rheingaugebirge sind im Hinblick auf den zu erwartenden Stromertrag ideal für die Aufstellung von bis zu 180 Meter großen Windrädern. Wenn zu den bislang knapp 700 Anlagen im Land tatsächlich weitere 1.500 kommen müssen, um die Energiewende zu schaffen und zwei Prozent der Landesfläche für die Erzeugung von Strom aus Windkraft zur Verfügung zu stellen, dann fällt dem Rheingau-Taunus eine bedeutsame Rolle zu.
Wer den Rheingau mit seiner alten Kulturlandschaft kennt, der kann es nicht fassen. Wie barbarisch und abgestumpft muß man sein, daß man allen Ernstes darangeht, eine so alte und – hier ist das Wort angebracht – liebliche Landschaft mit 180 m hohen technischen Monstern zu verschandeln?
Der Landrat des Rheingau-Taunus-Kreises, Burkhard Albers (SPD), und der hessische SPD-Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel sind in diesem Punkt ein Herz und eine Seele. Ohne „massiven Zubau von Windrädern“ werde es nicht gehen, sagen sie.
Natürlich nicht – wenn man holterdiepolter und ohne vernünftigen Plan alles abschaltet. Aber es wird auch mit den Windrädern nicht gehen. Denn es sind ja nicht nur die Windräder, die unsere schönsten Naturlandschaften zerstören. Der „massive Zubau“ von Stromleitungen, die für diese unsichere Energie nötig sind, wird monströse Breschen quer durch Deutschland schlagen, wie man sie in Mitteleuropa noch nicht gesehen hat. Was angeblich ökologisch und nachhaltig ist, wird auf ein brutales Zerstörungswerk hinauslaufen, eine Vernichtung der letzten Refugien unserer Natur – und der Höhen und Wälder, in denen sich der Mensch noch von seinem Alltag erholen kann. Daß die technologischen Voraussetzungen für die Leitungs- und Speicherprobleme nicht einmal im Ansatz sichtbar sind, füge ich nur am Rande hinzu.
Also: jetzt auch der Rheingau. Der Landrat meint nur lapidar, ihm seien „20 Windräder lieber als ein Atomkraftwerk“. Wie bitte – 20 Windräder? Die sollen ein Atomkraftwerk ersetzen? Hat er vielleicht ein paar Nullen vergessen? Tausende und Abertausende dieser bis zu 200 m hohen Monster müssen gebaut werden, um – auf dem Papier! – die Kernkraftwerke zu ersetzen. Aber überall wird verniedlicht, verharmlost, tiefgestapelt. Die technischen Probleme? Ach, die kriegen wir schon irgendwie in den Griff! Die Strompreise? Ach, so schlimm wird das schon nicht werden. Die Tiere? Die werden sich schon mit der Zeit an die Windräder gewöhnen. Und der geschäftstüchtige Bürgermeister von Geisenheim hat, wie man heute in einem Leserbrief in der F.A.Z. lesen kann, die Pachtvergütungen durch den Windkraftbetreiber schon ins mittelfristige Haushaltskonzept bis zum Jahr 2014 einfließen lassen.
Eine besonders schlimmes Kapitel sind für mich die großen Naturschutzverbände wie BUND und NABU, die in ihren Führungsgremien offenbar nur noch in politischen Kategorien denken (ich habe darüber berichtet). Aber man muß doch auch einmal ein positives Beispiel hervorheben: die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON). Ihr Arbeitskreis Wiesbaden/Rheingau-Taunus hat heftigen Widerstand gegen die Windkraftpläne in „einem der größten zusammenhängenden und bisher ungestörten Waldgebiete in Hessen mit einer einmaligen Naturausstattung“ angekündigt:
Dieses Gebiet hätte es nach Ansicht der HGON verdient, als Kern eines größeren Biosphärengebiets ausgewiesen und womöglich zu einem Nationalpark weiterentwickelt zu werden, wie dies auch Greenpeace schon gefordert hatte. Die HGON hält es für befremdlich, wie „gestern noch heftig verteidigte Natur- und Kulturräume heute zu Windindustriegebieten werden sollen“. Die HGON verweist warnend auf ehemals intakte und jetzt mit Windrädern verbaute Landstriche wie Rheinhessen, den Hunsrück und den Soonwald. Das Niederwalddenkmal müsse im Rheingau das prägende Bauwerk bleiben. Das Rheingaugebirge müsse überdies als „Tabuzone“ ebenso wie das Biosphärenreservat Rhön und der Nationalpark Kellerwald gänzlich frei von Windrädern bleiben.
Ich drücke den Bewohnern des wunderschönen Rheingaus die Daumen, daß ihnen das Schicksal anderer Mittelgebirge erspart bleibt. Es geht ja auch um den Tourismus. Wer wird noch an den Rhein kommen, wenn alle Blickachsen an den Weinbergen hinauf von Betonmonstern dominiert werden?
Entrüstet euch! kann ich da nur sagen. Wehrt euch gegen die Landräte, Provinzpolitiker, gegen all die Hofschranzen ihrer jeweiligen Parteien, die euch mit einem „Es geht leider nicht anders!“ abspeisen wollen.
Es geht immer auch anders. Nichts ist wirklich alternativlos oder unumkehrbar, wie man uns weismachen will, nichts. Wir haben uns doch nicht diesen schönen, seit Jahrhunderten nachhaltig bewirtschafteten Wald aufgebaut und erhalten, um ihn jetzt von Barbaren zubetonieren zu lassen!