Zur neuen Islamstudie

Die Frage ist doch: darf man eigentlich die Wirklichkeit so sehen, wie sie ist? Und wenn man sieht, wie sie ist – darf man das dann auch genau so sagen?

Als Thilo Sarrazin mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ mit dem Kinderglauben vom gut integrierten, strebsamen und gutwilligen ausländischen Mitbürger aufräumte, gingen alle anständigen Deutschen auf die Barrikaden: Streetworker, Liberale, integrationspolitische Sprecher, Sozialpädagogen, die Grünen und die Linken und auch alle anderen Genossen, überhaupt alle, die auch weiter glauben wollten, was sie irgendwann einmal gelernt hatten, alle, die einfach nicht sehen und hören wollten, wie es an ganz normalen Schulen in Großstädten (und sogar in der Provinz) inzwischen zuging – sie alle also schrien Zeter und Mordio.

Da war plötzlich einer, der – spät genug, aber immerhin viel früher als alle Politiker zusammen! – die richtigen Fragen stellte. Das war peinlich, also konzentrierte sich die öffentliche Diskussion nicht etwa auf die richtigen Fragen, sondern auf die wenigen zweifelhaften Antworten, die Sarrazin gab. Aber es zeigte sich bald: er hatte Fragen gestellt, die vielen Menschen auf den Nägeln brannten. Die Politiker und Journalisten, die ihn anfangs in seltener Einhelligkeit mit einer Arroganz ohnegleichen geistig vernichten wollten (unvergessen Beckmanns Schmähsendung, assistiert von einer hochnäsigen Künast), gaben sich reumütig. Ja, das eine oder andere liege schon im Argen, aber das habe man lange vor Sarrazin eingesehen, und man sei auf dem besten Wege.

Und wie ist es heute?

Da gibt es eine neue Studie des Innenministers, die zu folgenden Ergebnissen kommt:

* 24 % der nicht-deutschen und 15 % der deutschen Muslime zwischen 14 und 32 Jahren müssen als „streng Religiöse mit starken Abneigungen gegenüber dem Westen, tendenzieller Gewaltakzeptanz und ohne Integrationstendenz“ gelten.

* Bei den Muslimen ohne deutschen Pass haben 48 Prozent „starke Separationsneigungen“.

Und sofort – genau wir damals bei Sarrazin – reagieren die Politiker nicht etwa mit praktischer Vernunft, sondern rein ideologisch, denn: ein Ergebnis, das nicht mit der eigenen Ideologie übereinstimmt, kann nicht richtig sein!

Die Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger meint, durch die Studie sollten nur Schlagzeilen erzeugt werden – und während sie auf diese Weise ihre althergebrachten Reflexe äußert, sagt sie doch tatsächlich: „Wir sollten die althergebrachten Reflexe hinter uns lassen.“

Der migrationspolitische Sprecher der Grünen, Memet Kilic, spricht von Populismus, der auf die „Spaltung der Gesellschaft“ abziele. Ursache für die Jugendgewalt (die gibt es also doch?) sei die „Chancen- und Perspektivlosigkeit“ der ausländischen Jugendlichen. Die Benachteiligung von Jugendlichen aus Einwandererfamilien auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt müsse endlich aufhören.

Die SPD meint, hier würde der Versuch gemacht, „ganze Religionsgemeinschaften dem Populismus preiszugeben“.

Und Marietta Slomka, die gestern abend den Innenminister interviewte, konnte gar nicht genug politisch korrekt sein mit ihren Fragen und Einwürfen. Da mußte sich der Innenminister praktisch dafür entschuldigen, daß in der Studie seines Hauses nicht nur die schöne neue Welt der Propaganda gezeigt wird, sondern auch die dunkle, oft archaische Mentalität, die in den Moscheen und Familien an die jungen, orientierungslosen Männer weitergegeben wird.

Mit einem Wort, die alten Reflexe der Politiker und Journalisten sind immer noch dieselben wie vor Sarrazin. Noch immer leugnen sie, wie explosiv die Lage dieser Minderheit unter den jungen männlichen Muslimen ist (und es ist eine auch zahlenmäßig starke Minderheit). Sie leben hier, aber sie fühlen sich wie in Feindesland. Sie lehnen alles ab, was für uns wichtig und teuer ist, was wir – wie etwa die Gleichberechtigung von Mann und Frau – erst in mühsamen geschichtlichen Prozessen erkämpft haben.

Nein, mit einer Minderheit, die uns in die Steinzeit zurückführen will, möchte ich jedenfalls nichts zu tun haben.

Und es sind ja diese (schon verbal!) gewalttätigen jungen Muslime, die das Verhältnis zwischen dem Islam und unserem Land vergiftet haben. Statt jetzt wieder die ganze Schuld der deutschen Gesellschaft zuzuschieben, sollten sich die Muslime, die der friedlichen und integrierten Mehrheit angehören, vielleicht in einer stillen Stunde schon einmal fragen, warum so viele ihrer Kinder archaischen Einstellungen anhängen.

Diese Einstellungen sind ihnen ja nicht aus der Luft zugeflogen.

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