Windkraft – für das Klima und gegen die Natur?

Es gibt immer wieder Konflikte, die im Grunde unlösbar sind. So etwas stört den Menschen, weil er gern für alles eine Lösung hätte. Aber solche Konflikte sind ein Teil unseres Alltags – und auch ein Teil unserer geistigen Existenz. Die Griechen, denen wir soviel zu verdanken haben, kennen dafür den Begriff des Tragischen. Der tragische Held hat zwar mehrere Möglichkeiten, den Konflikt zu bewältigen, aber alle Wege, gleichgültig, für welchen er sich entscheidet, führen ins Unglück.

Auf den ersten Blick stehen wir jetzt vor einer ähnlichen Aufgabe. Um den Klimawandel wenigstens halbwegs in den Griff zu bekommen, das erzählt uns jedenfalls tout le monde, von der Kanzlerin und den Grünen über die Naturschutzverbände bis hinunter zum letzten Lobbyisten, müssen wir die gesamte Energiebasis so schnell wie möglich auf die erneuerbaren Energien umstellen. In der Praxis heißt das: auf die Windkraft, denn alles andere bringt in einem Industrieland wie Deutschland Energienmengen, die fast vernachlässigbar sind.

Unsere Naturschutzverbände – und das ist für mich eine der großen Enttäuschungen der letzten Jahre – haben sich ohne viel Federlesens auf die Seite, wie sie zumindest glauben, des Klimaschutzes gestellt. Und sie spielen die Folgen, die das für den Schutz der Natur hat, systematisch herunter. Warum tun sie das?

Auch in der Forstverwaltung ist es ähnlich. Ein Abteilungsleiter im Hessischen Forstministerium bekennt ungerührt, er habe keine Probleme mit den Windrädern. Auch da verdient man nämlich an der Verpachtung der Standorte – cherchez l’argent heißt es heute überall, nicht mehr cherchez la femme. Auf der unteren Ebene, wo man sich solche Abgehobenheit nicht leisten kann, sieht es mit der Meinungsbildung schon ganz anders aus.

Jetzt beginnt endlich, wenn auch erst zaghaft, die lange politisch zugedeckte Diskussion innerhalb der Naturschutzverbände. Der BUND hält offenbar den drastischen Ausbau der Windenergie für völlig naturschutzneutral. In Rheinland-Pfalz haben BUND und Nabu sogar den forcierten Ausbau der Windenergie ausdrücklich begrüßt (eine Erklärung, für die sie sich meines Erachtens schämen sollten). Diesen Ausbau gebe es halt nicht „zum ökologischen Nulltarif“ – er ist, sagen die beiden Verbände (hier nachzulesen),

notwendig, verlangt der ohnehin geschundenen Natur aber viel ab.

Der vielfache Tod von zerschmetterten Weißstörchen, Schwarzmilanen, Rotmilanen, Uhus und Fischadlern, von den Fledermäusen ganz zu schweigen, erscheint da nur noch als Kollateralschaden.

Ich sehe da – und hoffentlich habe ich unrecht! – bei den Naturschutzverbänden eine ähnliche Entwicklung wie bei den Grünen (vielleicht auch gefördert durch personelle Verquickungen): sie sehen die Dinge nur noch aus großer Entfernung und in einem Rahmen, der so groß und weit ist, daß ein paar tote Vögel nun wirklich keine Rolle mehr spielen. Für den Klimaschutz muß eben auch die Natur Opfer bringen, nicht wahr?

Die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON), das sei zur Ehrenrettung zumindest dieses Verbandes noch angemerkt, denkt da immerhin ein bißchen differenzierter. Ihr Arbeitskreis Wiesbaden/Rheingau-Taunus hält es für befremdlich, daß

gestern noch heftig verteidigte Natur- und Kulturräume heute zu Windindustriegebieten werden sollen.

Es ist eben hier wie überall: auf der unteren Ebene sind Menschen, die sich sehr genau auskennen und auch noch ein Gespür für die Natur und ihre Probleme haben, aber je höher man in einer Organisation (oder einem Verband oder einem Unternehmen) aufsteigt, umso leichter kann man einen Kollateralschaden wie eine tote Großtrappe oder tote Fledermäuse einfach beiseiteschieben. Es geht ja um Höheres und Größeres!

Ich kann nur hoffen, daß auch bei BUND, Nabu und den übrigen Verbänden von unten her die dringend notwendige Diskussion über die Windkraft einsetzt.

Bevor es zu spät ist.

Denn die Windkraftlobby schwimmt im Moment dank der Subventionierung durch den Steuerzahler förmlich in Geld – sie hat so viel davon, daß sie es mit vollen Händen an Bauern, Vereine und Gemeinden weitergeben kann, um an „Standorte“ für ihre Windräder zu kommen.

Diesem Geldsegen kann man im Moment leider nur eines entgegensetzen – Argumente.

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