Harald Lesch

Vor langer Zeit, als ich noch spät in der Nacht arbeiten mußte, entdeckte ich im Nachtprogramm des Bayerischen Fernsehens eine Sendung, die so spannend war, daß ich sie bald nicht mehr missen wollte. Sie hieß „Alpha bis Omega“ und war, ein wenig merkwürdig, in die Spacenight des BR eingebettet, obwohl es bei ihr um den Weltraum am wenigsten ging. Zwei Menschen, ein Physiker und ein katholischer Pfarrer, offensichtlich miteinander befreundet, diskutierten – buchstäblich! – über Gott und die Welt. Der Physiker, aber das habe ich erst später erfahren, hieß Harald Lesch. Er lehrte schon damals Astrophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Der andere, Thomas Schwartz, war Hochschulpfarrer in Augsburg, wo er inzwischen als Honorarprofessor für Angewandte Ethik tätig ist.

Was war jetzt das Besondere an diesen Gesprächen?

Zuerst einmal, daß es wirklich Gespräche waren. Das ist eine (zumindest im Fernsehen!) vom Aussterben bedrohte Gattung. Man sieht fast nur noch Hau-drauf-Sendungen, jeder schreit, jeder brüllt den anderen nieder, jeder will die Oberhand gewinnen. Gespräche sind das nicht, und es ist ein seltener Glücksfall, wenn es in einer Talkshow einmal zu einem wirklichen Gespräch kommt. Ein Gespräch ist nämlich ein ruhiger Austausch von Gedanken, da stoßen wirklich zwei Köpfe aufeinander, nicht zwei (oder mehr) große Klappen. In den Interviews von Günter Gaus – „Zur Person“ – hat es so etwas noch gegeben, aber wer weiß das noch? Die arme Generation, die schon mit SAT1 und RTL2 aufgewachsen ist, sicher nicht. Sie hatte, und das meine ich wirklich nicht herabsetzend, sie hatte kaum eine Chance, durch praktische Beispiele zu lernen, was journalistische Qualität ist.

Aber ich schweife schon wieder ab. Jedenfalls weckten die nächtlichen Gespräche, die Lesch damals mit dem Pfarrer im Bayerischen Fernsehen führte, von Anfang an mein Interesse. Ein Naturwissenschaftler, der nicht von der heute so weit verbreiteten wissenschaftlichen Arroganz besessen ist, der die Grenzen seines Fachs kennt und thematisiert und auch akzeptiert – das ist ein Glücksfall. Und es ist ein noch größerer Glücksfall, wenn dieser Wissenschaftler auch noch die kompliziertesten Sachverhalte – und jeder Schüler weiß, wie kompliziert die Physik oft ist! – in freier Rede und so elegant, so wenig abgehoben und unter völligem Verzicht auf jeden Fachjargon darstellen kann. Die Begriffe müssen natürlich sein, sonst wäre es ja keine Wissenschaft, aber der ganze Nebel, das ganze Brimborium um sie herum lichtet sich, sobald Lesch mit seinen launischen und klugen Vorträgen beginnt.

Natürlich war er nicht der erste, der so etwas kann – ich denke zum Beispiel an den unvergessenen Hoimar von Ditfurth, der leider viel zu früh gestorben ist. Aber es ist doch immer nur eine Handvoll von Namen, die einem da einfällt. Es sind Menschen, die sich gerade an den Grenzen ihres Fachs (und an den Grenzen der menschlichen Erkenntnis überhaupt) gestoßen und immer wieder über sie nachgedacht haben.

So einer ist Lesch.

Wenn er nur irgendeine Wissenschaftssendung moderiert, kommt sein großes Talent nicht zur Geltung. Aber in den kleinen Formaten wie z.B. Leschs Kosmos, das immer in der Nacht zum Montag im ZDF läuft, zeigt er, was er kann. Er braucht kein Papier, um wie ein Oberlehrerer einen Text vorzutragen – nein, er spricht frei, und es ist eine Freude, ihn beim Entwickeln seiner Gedanken zuzuschauen.

Am späten Abend darf er nur moderieren, aber seine wirklich guten Sendungen kommen erst tief in der Nacht – und das sagt viel aus über die Intendanten, Programmdirektoren und alle, die im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die Macht haben.

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