Der Islam und die Toleranz

Es gibt kaum eine Talkshow über den Islam, in dem nicht ein Muslim (oder eine Muslima) ihre Religion als Hort des Friedens und der wahren Toleranz beschwören. Es ist dies freilich – leider! – eine Toleranz der Worte, nicht der Taten, denn da, wo der Islam herrscht, wo er also die Mehrheit und die Macht hat, ist er ganz und gar nicht tolerant.

Wenn dort andere Religionen überhaupt geduldet und nicht, wie in Nigeria und in vielen anderen Länderen der islamischen Welt, mit Mord und Totschlag bedroht werden, dann werden sie eben nur – geduldet. Das war jahrhundertelang auch im Osmanischen Reich so, wo man die „Ungläubigen“ großmütig am Leben ließ, solange sie die Kopfsteuer entrichteten und brave Untertanen waren. Und auch in der heutigen Türkei, die von ihrem Ministerpräsidenten als islamisches Musterland verstanden wird, werden Christen überall nach Kräften kleingehalten und in der Ausübung ihres Menschenrechts auf Religionsfreiheit behindert.

Ein Zeichen von Selbstbewußtsein ist das nicht, ganz im Gegenteil: man fürchtet die „freie Konkurrenz“ der Religionen wie der Teufel das Weihwasser, also errichtet man ein ganzes Netz von religiösen und strafrechtlichen Verboten, um den Gläubigen den Abfall vom „wahren“ Glauben so schwer wie möglich zu machen. Das geht in manchen Regionen der islamischen Welt bis hin zur Todesdrohung gegenüber Konvertiten, und selbst in der „modernen“ Türkei muß ein Muslim, der zum Christentum übertritt, ein Leben lang in Angst leben.

Toleranz, das muß man hier einmal deutlich sagen, ist nicht der Verzicht darauf, den Andersgläubigen totzuschlagen. Toleranz ist immer der Respekt vor dem Andersdenkenden – und erst recht vor dem Andersgläubigen. Um den eigenen Glauben einen strafbewehrten Zaun zu errichten, ist mehr als armselig.

Wahre Toleranz – darüber gibt es in Lessings Drama Nathan der Weise eine schöne Geschichte: die Ringparabel. Früher hat man sie in der Oberstufe jedes Gymnasiums gelesen, heute – fürchte ich – ist das nicht mehr so. Deshalb will ich sie hier in den wichtigsten Auszügen vorstellen.

Vor grauen Jahren lebt‘ ein Mann in Osten,
Der einen Ring von unschätzbarem Wert
Aus lieber Hand besaß. Der Stein war ein
Opal, der hundert schöne Farben spielte,
Und hatte die geheime Kraft, vor Gott
Und Menschen angenehm zu machen, wer
In dieser Zuversicht ihn trug. Was Wunder,
Daß ihn der Mann in Osten darum nie
Vom Finger ließ; und die Verfügung traf,
Auf ewig ihn bei seinem Hause zu
Erhalten? Nämlich so. Er ließ den Ring
Von seinen Söhnen dem geliebtesten;
Und setzte fest, daß dieser wiederum
Den Ring von seinen Söhnen dem vermache,
Der ihm der liebste sei; und stets der liebste,
Ohn‘ Ansehn der Geburt, in Kraft allein
Des Rings, das Haupt, der Fürst des Hauses werde.

So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn,
Auf einen Vater endlich von drei Söhnen;
Die alle drei ihm gleich gehorsam waren,
Die alle drei er folglich gleich zu lieben
Sich nicht entbrechen konnte. Nur von Zeit
Zu Zeit schien ihm bald der, bald dieser, bald
Der dritte, – sowie jeder sich mit ihm
Allein befand, und sein ergießend Herz
Die andern zwei nicht teilten, – würdiger
Des Ringes; den er denn auch einem jeden
Die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen.
Das ging nun so, solang es ging. – Allein
Es kam zum Sterben, und der gute Vater
Kömmt in Verlegenheit. Es schmerzt ihn, zwei
Von seinen Söhnen, die sich auf sein Wort
Verlassen, so zu kränken. – Was zu tun?
Er sendet in geheim zu einem Künstler,
Bei dem er, nach dem Muster seines Ringes,
Zwei andere bestellt, und weder Kosten
Noch Mühe sparen heißt, sie jenem gleich,
Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt
Dem Künstler. Da er ihm die Ringe bringt,
Kann selbst der Vater seinen Musterring
Nicht unterscheiden. Froh und freudig ruft
Er seine Söhne, jeden insbesondre;
Gibt jedem insbesondre seinen Segen,
Und seinen Ring, und stirbt.

Ich bin zu Ende.
Denn was noch folgt, versteht sich ja von selbst.–
Kaum war der Vater tot, so kömmt ein jeder
Mit seinem Ring, und jeder will der Fürst
Des Hauses sein. Man untersucht, man zankt,
Man klagt. Umsonst; der rechte Ring war nicht
Erweislich; fast so unerweislich, als
Uns itzt – der rechte Glaube.

Natürlich ziehen die Söhne vor Gericht – und geraten (das gibt es sogar hin und wieder im wirklichen Leben!) an einen weisen Richter. Der nämlich sagt:

Mein Rat ist aber der: ihr nehmt
Die Sache völlig wie sie liegt. Hat von
Euch jeder seinen Ring von seinem Vater:
So glaube jeder sicher seinen Ring
Den echten. – Möglich; daß der Vater nun
Die Tyrannei des einen Rings nicht länger
In seinem Hause dulden wollen! – Und gewiß;
Daß er euch alle drei geliebt, und gleich
Geliebt: indem er zwei nicht drücken mögen,
Um einen zu begünstigen. – Wohlan!
Es eifre jeder seiner unbestochnen
Von Vorurteilen freien Liebe nach!
Es strebe von euch jeder um die Wette,
Die Kraft des Steins in seinem Ring‘ an Tag
Zu legen! Komme dieser Kraft mit Sanftmut,
Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun,
Mit innigster Ergebenheit in Gott
Zu Hilf‘! Und wenn sich dann der Steine Kräfte
Bei euern Kindes-Kindeskindern äußern:
So lad ich über tausend tausend Jahre
Sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird
Ein weisrer Mann auf diesem Stuhle sitzen
Als ich; und sprechen. Geht! – So sagte der
Bescheidne Richter.

„Es eifre jeder seiner unbestochnen, von Vorurteilen freien Liebe nach!“ – und zwar „mit Sanftmut, mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun, mit innigster Ergebenheit in Gott“.

Eine schönere Definition von Toleranz wird man nicht leicht finden.

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