Steffen Seibert ist ein guter, ein wirklich guter Journalist. Er ist mir zum ersten Mal aufgefallen, als er am 11. September 2001 für das ZDF live über den Anschlag auf das World Trade Center berichtete. Das war eine auch journalistisch schwierige Aufgabe, und er hat sie bravourös gemeistert. Danach moderierte er sieben Jahre lang die heute-Nachrichten um 19 Uhr. Und dann – wurde er Regierungssprecher.
Im ZDF war man sicher nicht glücklich darüber, und so ganz, das muß ich gestehen, begreife ich diesen Wechsel bis heute nicht. Man kann als Regierungssprecher zwar wie in jeder anderen journalistischen Sparte zeigen, wie gut man mit der Sprache umgehen kann. Aber man ist doch immer bloß der Apologet der herrschenden Regierung, und man muß auch das eloquent verteidigen, was einem im Innern zuwider ist.
Es ist eben kein freier, unabhängiger Journalismus. Es ist Brotarbeit.
Diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich heute las, wie Seibert – als Stimme seiner Herrin – schon wieder ihr „vollstes Vertrauen“ zum Bundespräsidenten verkünden mußte. Aber dann kam ein merkwürdiger Satz.
Auch für neu auftauchende Fragen gelte, so formulierte es der Regierungssprecher, daß sie an den Bundespräsidenten zu richten seien.
Sie werden von ihm persönlich aufgeklärt.
Das sind nun schon wieder Sätze, die ganz und gar nicht zum „vollsten Vertrauen“ passen wollen. Man rechnet offenbar damit, daß es immer mehr solcher „neu auftauchender Fragen“ geben wird – und: man wäscht seine Hände in Unschuld.
Wulff soll sie gefälligst persönlich aufklären.
Wann macht der Bundespräsident diesem elenden Spiel ein Ende? Die Kanzlerin wird ihm nicht helfen. Die Mehrheit der Deutschen will offenbar nicht, daß er zurücktritt, aber hinter diesem Votum steht – nach dem bis heute rätselhaften Rücktritt von Horst Köhler – eigentlich nur ein „Nicht schon wieder!“
Wenn aber in der gleichen Umfrage 47 % der Deutschen ihren Bundespräsidenten für „nicht ehrlich“ halten, dann kann doch ein Mensch, der noch ein bißchen Selbstachtung besitzt, nicht im Amt bleiben!
Es ist ja im übrigen nicht einmal so sehr das Delikt an sich, das verwerflich ist – nein: wie schon bei Guttenberg und den halbseidenen Doktorinnen und Doktoren in unserer politischen Klasse ist es die völlige Unfähigkeit, sich zu seiner Schuld zu bekennen. Ich bin sicher, selbst Guttenberg hätte man verziehen, wenn er öffentlich zugegeben hätte, was er getan hat. Aber nein, so ein mea culpa geht unseren Politikern nicht über die Lippen.
Auch wenn man an Politiker keine allzu hohen Maßstäbe anlegen mag – dieses Unvermögen, wenigstens bescheidenen ethischen Normen zu genügen, ist schon ein Zeichen des Niedergangs.