Der reiche Herr Yang und seine Handlanger

Immobilienfirmen lieben es blumig. Je schlimmer es in den Häusern zugeht, die sie vermieten, desto lyrischer wird es der Marketingabteilung ums Herz. Ein Komplex von heruntergekommenen Hochhäusern in einer kleinen Stadt südlich von Frankfurt zum Beispiel, ein weithin bekanntes soziales Ghetto, nennt sich bis heute „Rosenpark“.

Die Chinesen haben diese Mechanismen studiert und viel gelernt. Nehmen wir einmal das Immobilienimperium der Familie Yang. Herr Yang, der aus kleinen Verhältnissen stammt, hat das Unternehmen 1997 gegründet. 2005 hat er die Anteile seines inzwischen börsennotierten Imperiums seiner Tochter Huiyan überschrieben. Yang Huiyan ist heute mit einem Vermögen von 16 Milliarden Dollar die reichste Frau Chinas.

Und wie heißt das Immobilienimperium der Familie Yang? Country Garden!

Wie solche Firmen in China an Grundstücke kommen, weiß man zur Genüge. Man nimmt sie sich einfach. Falls die früheren Besitzer nicht einverstanden sind, bestellt man Schlägerbanden aus dem Lumpenproletariat, und wenn auch das nicht hilft, greift die befreundete Polizei ein und macht kurzen Prozeß.

Genau so sollte alles auch in dem kleinen Fischerdorf Wukan ablaufen. Die lokalen Behörden enteigneten die Landbesitzer und verkauften die Grundstücke an die Fa. Country Garden – ein Geschäft, an dem beide Seiten sicher gut verdient haben. Und doch kam diesmal alles ganz anders.

Die Einwohner von Wukan ließen sich die Machenschaften der korrupten Behörden nämlich nicht gefallen. Als alle Proteste vergebens waren, zerstörten sie ein paar Polizeiwagen und gingen auch auf die verhaßten Polizisten los. Und sie griffen das Gebäude der örtlichen Kommunistischen Partei an – in einer Parteidiktatur (denn nichts anderes ist China!) das größte Sakrileg.

Die Behörden boten, wohl nur zum Schein, Verhandlungen an, also schickten die Dorfbewohner fünf Unterhändler, aber die Männer – man hätte es sich denken – wurden kurzerhand ins Gefängnis gesteckt. Mit Aufrührern verhandelt man nicht!

Einer der Unterhändler, Xue Jinbo (42), ist am vergangenen Sonntag im Gefängnis gestorben – an „Herzversagen“. Die Leiche wird, wie man im Standard nachlesen kann, von den Behörden nicht freigegeben.

Die Familie durfte ihn nur einmal sehen und berichtete von Wunden an seinem Körper. Auch seien ihm die Fingernägel herausgezogen worden.

Das war den Bauern und Fischern zuviel. Sie trieben alle Polizisten mitsamt den „Kadern“ der Partei aus dem Dorf und errichteten Barrikaden.

Jetzt haben „Sicherheitskräfte“ – das sind die Kräfte, die in China die alltägliche Korruption gewaltsam beschützen – das Dorf auf allen Seiten umstellt. Sie lassen niemanden hinein und hinaus, und die Fischer dürfen nicht mehr aufs Meer fahren, um die Menschen zu ernähren.

Man sollte keine Illusionen über den Ausgang dieser Geschichte haben. Aber die Menschen von Wukan haben schon jetzt Geschichte geschrieben. Sie haben – einfach aus Hunger nach Gerechtigkeit! – die KP und ihre Handlanger zum Teufel gejagt. Insofern ist dieses kleine Dorf ein Modell für das, was auch im Großen geschehen kann.

Und weil die Partei das weiß, wird sie – wie immer – hart durchgreifen. Wie Xue Jinbo werden noch viele Einwohner von Wukan ums Leben kommen. Aber der Mut der Bauern und Fischer von Wukan (auch wenn es ein Mut der Verzweiflung war) ist schon jetzt in die Geschichte eingegangen.

Ihre Tapferkeit ist ein Menetekel für eine der letzten kommunistischen Diktaturen auf unserem Planeten.

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