Eine Reise nach Naumburg

Gestern haben wir eine Reise nach Naumburg unternommen, vor allem natürlich wegen der großen Ausstellung über den Naumburger Meister, der die berühmten Stifterfiguren im Naumburger Dom geschaffen hat. Das schon einmal vorneweg: die Ausstellung ist großartig, und wer sie noch nicht gesehen hat, sollte unbedingt hinfahren (sie ist noch bis zum 2. November geöffnet).

Auf dem Weg dorthin mußten wir freilich erleben, wie für die „Energiewende“ immer größere Teile der schönen Mittelgebirge in Hessen und Thüringen durch Windräder verschandelt werden. Es wird tatsächlich von Jahr zu Jahr schlimmer! Ja, es  stimmt, auch die Wartburg sieht man von der Autobahn aus in der Ferne, aber prägend sind jetzt andere bellevues:


Da kauert sich, unweit von Eisenach, ein kleines Dörfchen, von alten Bäumen eingesäumt, in eine Mulde, und darüber – immer in Sicht- und Hörweite! – die nackte Barbarei: ein sog. „Windpark“.

Wahrscheinlich spielen sie unten im Dorf ein Abzählspiel: ein Windrad für Tante Künast, ein Windrad für Onkel Trittin, ein Windrad für Tante Claudia, dann noch eins für Wowi, eines für Landesvater Kretschmann, eins für den Erzengel Gabriel, und ein besonders großes für Mutti …

Aber im Ernst: wie um Himmels willen können Menschen so etwas mit sich machen lassen? Was ich sehe, wenn ich morgens aus dem Fenster schaue, oder wenn ich abends mit dem Hund noch einen Spaziergang mache, das ist doch nicht etwas Zufälliges, Fremdes, bloß Äußerliches, das nichts mit mir zu tun hat – nein, es ist ein Teil von mir, von meinem Alltag, und ein ganz wichtiger noch dazu!

Es ist im Grunde genau wie in der Architektur: wenn ich in einer Stadt lebe und nur von häßlichen Hochhäusern umgeben bin oder vom Waschbeton der 70er Jahre, dann werde ich krank – und zwar nicht nur „ästhetisch“, nein: ich leide darunter körperlich (seelisch sowieso).

Solche Bilder der grünen Barbarei haben uns leider auf der ganzen Fahrt nach Naumburg begleitet. In Sachsen-Anhalt tauchte gar mit einem Mal ein riesiger, frisch gepflügter Acker auf (von den Ausmaßen einer alten LPG!), und mitten darauf standen unzählige Windräder. Dieser „Park“ reichte buchstäblich von Horizont zu Horizont.

Gottlob war diese Szenerie vergessen, als wir uns Naumburg näherten, das schön zwischen Hügeln und kleinen, verwunschenen Dörfern liegt. Nach der Abfahrt von der Autobahn haben wir kein einziges Windrad mehr gesehen.

Naumburg selbst ist eine schöne, vom Krieg weitgehend verschonte Kleinstadt.  Auf dem Platz vor dem Dom blühen noch im Oktober roter und weißer Oleander, überhaupt hat das Städtchen mit seinen schönen altdeutschen Häusern gleichzeitig an vielen Stellen ein fast mediterranes Flair.

Und dann erst die Ausstellung! Wenn man, wie wir, das Glück hat, von einem sachkundigen (und humorvollen!) Historiker durch die vielen, vielen Ausstellungsräume im Schlößchen am Markt und im Dom geführt zu werden, wird der Besuch, selbst wenn man schon ein bißchen Vorwissen hat, zu einem ganz besonderem Vergnügen. Deshalb soll unser Führer hier auch namentlich genannt werden: Wieland Führ war sein Name, und nicht eine Minute der anderhalb Stunden langen Führung war langweilig.

Daß mit der weltberühmten Uta von Naumburg gar nicht die historische Uta gemeint sein kann, auch das haben wir bei dieser Führung gelernt, denn die steinerne Figur trägt eine Königskrone, und die historische Uta war nur eine Markgräfin – niemand hätte es damals gewagt, sie mit königlichen Insignien darzustellen. Uta ist also nicht Uta – aber wer ist sie dann? Ist etwa die so freundlich lächelnde Reglindis die wahre Uta?

Es ist ein spannendes, fast kriminalistisches Spiel, das die Historiker hier spielen, und es macht einfach Spaß, dabei zu sein, selbst wenn man bei der Spurensuche nur Laie und Zaungast ist.

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