Wenn man einen Vernichtungskrieg gegen ein Land führt, braucht man dreierlei: einen gewissenlosen, zu jedem Verbrechen bereiten Oberbefehlshaber, eine enthemmte Soldateska fürs Grobe und – ganz wichtig! – die Schreibtischtäter.
Einer von diesen ist Timofej Sergejzew.
Die erste Putinsche Lüge, daß nämlich die Ukraine von ihrem faschistischen Regime befreit werden möchte, war schon am ersten Tag widerlegt. Kein Ukrainer wollte von Putin befreit werden und heim ins großrussische Reich kommen – im Gegenteil: sie alle setzten mit einem fast unglaublichen Mut ihr Leben aufs Spiel, um gegen die russischen Eindringlinge zu kämpfen. Tausende der jungen Soldaten, die Putin aus dem fernen Osten, aus Tschetschenien und von anderswo herangekarrt hatte, starben für seinen häßlichen Traum vom Imperium. Wenn aber die Rechtfertigung für einen verbecherischen Krieg vor den Augen der Welt widerlegt wird, dann braucht es neue Lügen.
Und die liefert Timofej Sergejzew. Man müsse sich von der Vorstellung verabschieden, schreibt er, daß in der Ukraine das Volk gut und nur die Regierung schlecht sei. Die Mehrheit der Ukrainer unterstütze das „nazistische Regime“. Und was macht man mit so einer „nazifizierten Masse“? Man kann sie leider „nicht einer direkten Bestrafung als Kriegsverbrecher“ unterziehen. Die gerechte Strafe für dieses unbotmäßige Volk sei es, die „unvermeidlichen Beschwerden des gerechten Kriegs gegen das nazistische System“ zu erdulden. Let’s do it the Chinese way, denkt sich der russische Publizist, und schreibt wörtlich: die Entnazifierung der Bevölkerungsmasse bestehe „in einer Umerziehung, die durch ideologische Repressionen der nazistischen Einstellungen und eine harte Zensur erreicht wird“. Das könne aber eine ganze Generation oder noch länger dauern.
Ein Stalinist hätte es nicht brutaler sagen können. Putin und seine Hofschranzen sind, ohne daß man ihnen rechtzeitig Einhalt geboten hätte, zur brutalen, menschenverachtenden Politik von Väterchen Stalin zurückgekehrt: wie damals werden jetzt unter Putin Menschen von unliebsamen Völkern gefoltert, ermordet oder zwecks Umerziehung oder Bestrafung nach Rußland verschleppt.
Der Artikel von Timofej Sergejzew ist übrigens keineswegs der eines besonders radikalen „Publizisten“ – sein Artikel „Was Rußland mit der Ukraine tun muß“ wurde vor ein paar Tagen von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti , dem Sprachrohr Putins, ganz offiziell veröffentlicht. Schon im Jahr 2015 übrigens hat Sergejzew – „Mitglied des Sinowjew-Klubs“ – ganz offen davon gesprochen, „daß wir das Problem der eigenen Sicherheit und der Sicherheit der ganzen Welt präventiv außerhalb der Grenzen Russlands lösen müssen“.
Sein Artikel wird einmal, wie die Reden von Göbbels und die Artikel im Stürmer und im Völkischen Beobachter bei uns, in den russischen Geschichtsbüchern stehen: als Mahnmal der Schande und des moralischen Niedergangs eines ganzen Volkes.
Der Tag wird kommen. Und dann wird ὁ κλαυθμὸς καὶ ὁ βρυγμὸς τῶν ὀδόντων sein im ganzen russischen Reich.