Christiane Theobald war lange stellvertretende Intendantin des Staatsballetts Berlin, seit 2020 ist sie dessen kommissarische Direktorin. Jetzt hat sie Tschaikowskis „Nußknacker“, der – wie die F.A.Z. schreibt – oft „den halben Jahresetat einspielt“, aus dem Programm genommen. Dafür muß sie einen triftigen Grund haben.
Und sie hat einen: Rassismus!
Der Berliner Nußknacker, den sie jetzt abgesetzt hat, rekonstruiert die Uraufführung des Balletts im Jahr 1892. Schon 2015 war der Schock groß: „Blackfacing bei zwei Kindern im zweiten Akt“!
Christiane Theobald dazu (in der BZ nachzulesen):
Das führte schon 2015 zu E-Mail-Verkehr mit Beschwerden. Völlig zu Recht.
Die Kinder mußten also fürderhin ohne Blackfacing auftreten. Andere schwere Verstöße gegen die Menschlichkeit hat man in dem beliebten Märchenballett offenbar erst jetzt entdeckt. Es gibt darin doch tatsächlich einen „Orientalischen Tanz“ und einen „Chinesischen Tanz“. Ja, hat das denn niemand früher bemerkt? Im Interview mit der BZ klärt uns Frau Theobald auf:
Der chinesische Tanz zeigt Stereotypen mit kleinen Trippelschrittchen. Das wurde in der Zeit, in der die Choreografie entstanden ist, nicht kritisch hinterfragt.
Auch der orientalische Tanz mit den Haremsdamen und einem Solisten mit brauner Körperschminke sind Dinge, die man so heute nicht mehr unbesprochen auf die Bühne stellen kann.
Unglaublich! Trippelschritte! Und sogar Körperschminke! Den Einwand, daß es doch auch im Schwanensee und anderswo „Nationalitäten-Tänze“ gebe, wischt sie mit dem bemerkenswerten Argument beiseite, der Choreograph der Aufführung von 1892 sei nie in Indien oder China gewesen, es sei reine Fantasie. Seine Inszenierung behaupte aber: „So ist Indien, so ist China!“
In einem Podcast hieß es dann sogar, das Publikum sei noch nicht so weit, richtig zu verstehen, was es auf der Bühne sieht. Damit sind wir freilich an einem Punkt angelangt, an dem die F.A.Z. fassungslos (und völlig zurecht!) fragt: „Für wie dämlich oder selbst rassistisch hält die Tanzwissenschaft das Tanzpublikum?“
Bitte korrigieren:
Tschikowskis ==> Tschaikowskis
Zum Thema:
https://neuleerer.blog/2021/02/09/heule-und-herrsche/
Ist korrigiert, besten Dank. Es bestätigt sich mal wieder, daß Korrekturlesen (vermutlich Lesen überhaupt) am Monitor lange nicht so effektiv ist wie auf bedrucktem Papier.