Die katholische Kirche ist mit ihrem Latein am Ende. Das Desinteresse von Papst Franziskus an der lateinischen Sprache (und an Sprachen überhaupt) ist im Laufe seines Pontifikats immer deutlicher geworden. Man denke nur an den abgespeckten Segen Urbi et Orbi – da hat der Papst gleich zu Beginn seines Pontifikats mit der jahrzehntealten Tradition gebrochen, den Menschen auf dem Petersplatz und an den Bildschirmen die Osterwünsche in ihrer eigenen Sprache auszusprechen. Johannes Paul II. hat es noch im hohen Alter gemacht, als er wegen seiner Krankheit kaum noch sprechen konnte, Benedikt hat die Tradition weitergeführt. Franziskus hat sie sang- und klanglos beendet.
Sicher, das gehörte nicht zum Wesenskern des Glaubens, es war nur eine freundliche Geste. Aber solche Gesten sind wichtig, im Leben der Menschen und auch im Leben der Kirche. Und was Franziskus vernachlässigt und offenbar geringschätzt, sind ja nicht nur solche Gesten. Es ist etwas, das seit anderthalb Jahrtausenden die römische Kirche geprägt und die ganze europäische Kultur zusammengehalten hat: die lateinische Sprache. Diese Abwärtsspirale hat natürlich nicht erst mit Franziskus begonnen, sie nahm schon Fahrt auf, als das Zweite Vatikanische Konzil verkündete, daß die Heilige Messe auch in der Landessprache gefeiert werden durfte. In der Liturgie-Konstitution, die im Dezember 1963 feierlich verkündet wurde, heißt es freilich in Artikel 36:
Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll in den lateinischen Riten erhalten bleiben, soweit nicht Sonderrecht entgegensteht.
Da bei der Messe, bei der Sakramentenspendung und in den anderen Bereichen der Liturgie nicht selten der Gebrauch der Muttersprache für das Volk sehr nützlich sein kann, soll es gestattet sein, ihr einen weiteren Raum zuzubilligen, vor allem in den Lesungen und Hinweisen und in einigen Orationen und Gesängen […] Im Rahmen dieser Regeln kommt es der für die einzelnen Gebiete zuständigen kichlichen Autorität zu […] zu bestimmen, ob und in welcher Weise die Muttersprache gebraucht werden darf. Die Beschlüsse bedürfen der Billigung. das heißt der Bestätigung durch den Apostolischen Stuhl.
Was in den Beschlüssen des Konzils eher noch als Ausnahme galt, wurde dann ganz schnell zur Regel. Man überließ die Entscheidung über den Gebrauch der Muttersprache letzlich den Bischofskonferenzen eines Landes, und die Bischöfe, die immer seltener das Lateinische wirklich beherrschten, waren froh, darauf verzichten zu können.
Papst Benedikt XVI. hat noch einmal gegengesteuert. In seinem Motu Proprio „Summorum Pontificum“ von 2007 erlaubte er die lateinische Messe als „außerordentliche Form der Liturgie“, und im Jahr 2012 gründete er die Päpstliche Akademie für die lateinische Sprache (Pontificia Academia Latinitatis). Vergebens: die Akademie besteht zwar noch, aber die lateinische Messe hat Franziskus an so hohe Bedingungen geknüpft, daß es faktisch einem Verbot gleichkommt.
Welche Bedeutung Papst Franziskus dem Lateinischen, also der alten Sprache der Kirche, beimißt, kann man an Fratelli Tutti ablesen, seiner jüngsten Enzyklika vom Oktober 2020. Sie liegt inzwischen in 12 Sprachen vor:
Arabisch, Chinesisch (China), Chinesisch (Taiwan), Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Spanisch und Ukrainisch.
Latein ist nicht dabei.