Das Köpfen ist ja dank einer modernen Strömung im Islam wieder gesellschaftsfähig geworden. Neu ist diese Tötungsart freilich nicht; in gar nicht so wenigen „wilden Stämmen“, wie man sie früher nannte, war es gang und gäbe, die Köpfe der im Krieg besiegten Feinde als Trophäen mit nach Hause zu bringen. Daß aber selbst einem so rohen Verhalten ein Fünkchen Kultur innewohnte, beschrieb der schottische Anthropologe James George Frazer in seinem Buch „The Golden Bough“. Die siegreichen Krieger auf der Insel Timor mußten Opfer darbringen, um die Seelen der getöteten Feinde milde zu stimmen, und sie baten ihre Opfer in einem von Tanz begleiteten Gesang um Verzeihung (zitiert nach Freuds Übersetzung in „Totem und Tabu“):
Zürne uns nicht, weil wir deinen Kopf hier bei uns haben; wäre uns das Glück nicht hold gewesen, so hingen jetzt vielleicht unsere Köpfe in deinem Dorf. Wir haben dir ein Opfer gebracht, um dich zu besänftigen. Nun darf dein Geist zufrieden sein und uns in Ruhe lassen. Warum bist du unser Feind gewesen? Wären wir nicht besser Freunde geblieben? Dann wäre dein Blut nicht vergossen und dein Kopf nicht abgeschnitten worden.
Das hat doch – angesichts des vergossenen Blutes – etwas so bieder Treuherziges und Versöhnliches, das man nur staunen kann. Dem Kopfabschneider von heute ist eine solche posthume Milde jedenfalls völlig fremd.