Fundstücke aus Eckermanns „Gesprächen mit Goethe“ (1): Vögel für die Ewigkeit

In lockerer Folge will ich an dieser Stelle hin und wieder ein Fundstück aus Eckermanns „Gesprächen mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens“ wiedergeben. Es beginnt auf eine etwas brutale Weise ornithologisch.

Am 1. März 1830 war Eckermann wieder einmal „bei Goethe zu Tisch“. Der Dichter erzählte die folgende Anekdote:

Wir reden über Sammlungen ausgestopfter Vögel, wobei Goethe erzählt, daß ein Engländer mehrere Hunderte lebendiger Vögel in großen Behältern gefüttert habe. Von diesen seien einige gestorben, und er habe sie ausstopfen lassen. Diese ausgestopften hätten ihm nun so gefallen, daß ihm der Gedanke gekommen, ob es nicht besser sei, sie alle todtschlagen und ausstopfen zu lassen; welchen Gedanken er denn auch alsobald ausgeführt habe.

Wie die Tischgesellschaft auf diese Anekdote reagiert hat, ist nicht bekannt. Eckermann schweigt darüber. Man hätte sich aber zweifellos in ernsten Gedanken über Leben, Tod und Ewigkeit ergehen können, denn im ausgestopften Zustand war den Tieren sicher ein längeres Dasein beschieden als zu ihren Lebzeiten. Moderne, philosophisch weniger interessierte Zeitgenossen werden allerdings eher an Verrichtungen denken, die sich im Keller von Bates Motel abgespielt haben.

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