Nieder mit den Griechen!

Vor ein paar Tagen habe ich schon einmal über die Sündenbockrolle geschrieben, die Griechenland – unfreiwillig – übernommen hat. Dieses garstige Spiel geht weiter.

Jetzt tritt auch Schäuble nach.

Die Anpassungsmaßnahmen sind sehr hart. Die Griechen müssen wissen, ob sie diese Last auf ihren Schultern tragen wollen.

„Schäuble droht Griechenland mit Zahlungsstopp“, schreibt dazu die Welt. Und Seehofer, einer der unberechenbarsten deutschen Politiker überhaupt, fordert jetzt – nur ein wenig verklausuliert – den Austritt der Griechen aus der Eurozone. Das Münchener Ifo-Institut verlangt Maßnahmen gegen Griechenland, die „richtig weh tun“. Die Nürnberger Nachrichten wollen das Land gar „auf den Pfad der Tugend zwingen“. Und für Röslers heruntergewirtschaftete FDP ist das populistische Einschlagen auf Griechenland ein letzter Versuch, das Abgleiten in die Bedeutungslosigkeit zu verhindern.

Das alles ist im Grunde ein psychologisches Schulbeispiel für die Sündenbockfunktion.

Die Politiker werden immer hilfloser, weil sie den eigentlichen Schuldigen – die international vernetzte und völlig gewissenlose Finanzwelt – nicht zur Verantwortung ziehen können (sie wollen es vielleicht nicht einmal). Deshalb prügeln sie immer hemmungsloser auf den Sündenbock Griechenland ein. Daß man dabei scheinrationale Argumente anführt, hat schon immer zum bösen Spiel mit dem Sündenbock gehört.

Die Griechen, sagt man, haben über ihre Verhältnisse gelebt. „Die“ Griechen?

Griechenland war schon immer ein armes Land, und seit der Einführung des Euro geht es der großen Mehrheit eher noch schlechter als vorher. Die Preise und die Mieten in den größeren Städten liegen zum Teil noch über dem deutschen Niveau – Milch, Käse und Eier kosten zum Beispiel annähernd doppelt so viel wie in Deutschland.

Die Einkommen reichen kaum noch zum Überleben. Über 60 % der Rentner bekommen weniger als 600 Euro im Monat, Berufsanfänger müssen im Durchschnitt mit etwa 700 Euro auskommen. Ein Angestellter verdient ca. 40 % dessen, was sein deutscher Kollege erhält. Ein Ingenieur mit dreijähriger Berufserfahrung bekommt 1.050 Euro im Monat, ein Programmierer 700 Euro – brutto! Und das alles (ich sage es noch einmal) bei Lebenshaltungskosten, die zum Teil höher sind als in Deutschland.

Armenküchen gibt es in Griechenland erst, seit es den Euro eingeführt hat. Heute bilden sich vor jeder Essensausgabe lange Schlangen. Jetzt hat auch noch der Pharmakonzern Roche seine Lieferungen nach Griechenland eingestellt, weil die griechischen Krankenhäuser ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können (bei Spiegel Online nachzulesen):

Das Ende Juni auf Druck der anderen Euro-Länder verabschiedete Sparpaket dürfte die Lage noch einmal verschärft haben. Laut dem Programm sollen allein in diesem Jahr 310 Millionen Euro im Gesundheitssektor eingespart werden. Bis 2015 sollen weitere 1,43 Milliarden Euro hinzukommen.

Das ist die Wahrheit – aber sie paßt nichts ins Bild von den „faulen Griechen“, die unsere Regierung sehr geschickt immer wieder lanciert. Wir sollten nicht darauf hereinfallen.

Es gibt sicher eine kleine korrupte Schicht in Griechenland, die sich auf Kosten der Bevölkerung bereichert – aber haben wir die nicht auch? Die große Mehrheit der Griechen jedenfalls hatte vom Euro nur Nachteile und soll jetzt auch noch alle Opfer tragen, wenn die arroganten europäischen Regierungen ihre Strafmaßnahmen diktieren.

Irgendwann wird sich auch der gefügigste Sündenbock gegen ein solches Diktat wehren. Griechenland hat jedes Recht dazu.

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