Europa – das sind viele Staaten, alle haben sie ihre Geschichte, ihre Kultur, ihre Traditionen, ihre ganz eigentümlichen Gewohnheiten. Und alle diese Staaten haben (wenn man vom Balkan absieht, der ja auch an der Peripherie des Kontinents liegt) seit dem letzten Weltkrieg in Frieden miteinander gelebt. Das liegt auch daran, daß jeder Staat seine eigenen Dinge seit jeher selbst geregelt hat.
Die Dinge liegen in Europa ganz anders als bei der Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika. Es gibt nicht einen einzigen vernünftigen Grund, weshalb die europäischen Staaten ihre Souveränität – und damit ihre jahrhundertealte Kultur und Geschichte – aufgeben sollten.
Aber genau das verlangt die nordrhein-westfälische CDU in einem Grundsatzpapier. Die „Einheit Europas“ sei eine historische Notwendigkeit – man müsse jetzt „Souveränitätrechte abgeben“.
Muß man das?
Souveränitätsrechte abgeben an undurchsichtige Institutionen ohne wirkliche demokratische Legitimation? An eine aufgeblähte Bürokratie? An ein „Europa“, in dem es immerfort nur zu faulen Kompromissen kommt, das auch in der Zukunft weiter von Krise zu Krise stolpern wird? Wir haben doch schon jetzt so viele Rechte abgegeben, daß ein europäischer Gerichtshof uns zwingen kann, aus formalen Gründen gefährliche Verbrecher freizulassen.
Röttgen und seine CDU wollen uns weismachen, daß die Schuldenkrise uns jetzt zwingt, noch mehr Souveränität abzugeben. In Wirklichkeit ist es gerade umgekehrt! Eben weil wir schon jetzt nicht einmal mehr über unsere eigene Währung bestimmen können, sind wir der halbseidenen Finanzwelt hilflos ausgeliefert. Weil wir in der Vergangenheit so viele Hoheitsrechte abgegeben haben, hat es erst zu so dramatischen Finanz- und Schuldenkrisen kommen können.
Man kann Länder wie Frankreich, Deutschland oder Polen doch nicht mit Nevada oder South Dakota vergleichen! Wir haben hier im alten Europa Jahrhunderte gebraucht, um die Demokratie zu erkämpfen. Und jetzt sollen wir immer mehr dieser unter großen Opfern errungenen Rechte abtreten?
Nein – im Gegenteil. Wir sollten versuchen, unsere Souveränität zumindest in wirtschaftlichen Angelegenheiten wieder zurückzugewinnen. Auch weil das (wohlbegründete!) Gefühl der Menschen, daß sie „denen in Brüssel“ hilflos ausgeliefert sind, die Politikverdrossenheit weiter schüren wird.
Oder soll es so weit kommen, daß bei der nächsten und der übernächsten Krise (und die werden kommen) auch wieder nur noch Bangen und Beten hilft?