Jetzt Weiß ich wirklich nicht mehr, ob ich schwarz Groß oder weiß Klein schreiben soll!

Die New York Times schreibt nämlich seit neuestem das Adjektiv „black“ immer groß, während „white“ klein bleibt. Warum tut sie das? Zwei ihrer Herausgeber, Dean Baquet und Phil Corbett, versuchen eine Erklärung (hier nachzulesen):

We believe this style best conveys elements of shared history and identity, and reflects our goal to be respectful of all the people and communities we cover.

Da ist also von gemeinsamer („shared“) Geschichte und Identität die Rede – und natürlich wieder vom Respekt „gegenüber allen Menschen und Bevölkerungsgruppen“.

Gegenüber allen Menschen? Aber warum wird dann die bei weitem größte Bevölkerungsgruppe buchstäblich kleingeschrieben? Dazu heißt es im Artikel der New York Times:

White doesn’t represent a shared culture and history in the way Black does, and also has long been capitalized by hate groups.

Das leuchtet mir freilich überhaupt nicht ein. Die Weißen hätten also, anders als die Schwarzen, keine gemeinsame Kultur und Geschichte? Keine gemeinsame Identität? Eine seltsame Begründung. Und die nachgeschobenen weißen „Haßgruppen“, die „White“ immer großschreiben? Weil wirklich rassistische Gruppen „weiß“ immer großschreiben, schreibt die New York Times das Wort klein? Logik sieht anders aus. Könnte es nicht einfach so sein, daß die Redaktion sich dem Druck der „Black lives matter“-Bewegung in vorauseilendem Gehorsam genauso gebeugt hat, wie sich bei uns Journalisten, die man einmal für seriös und kompetent und unabhängig gehalten hat, gleich scharenweise von sprach- und kulturwissenschaftlich unbedarften Feministinnen zum kindischen Gendern haben drängen lassen?

Um in unser Land zurückzukehren – auch Marie Schoeß, die auf Bayern 2 Filme und Literatur bespricht, sorgt sich (hier nachzulesen) und stellt die bange Frage:

Wie verhalte ich mich als weiße Deutsche?

Denn, so grübelt sie, wenn auch sie „weiß“ klein und „schwarz“ großschreibt,

suggeriert das nicht, dass „weiß“ eine quasi-natürliche, in jedem Fall nicht weiter zu befragende Kategorie ist, während schwarz einer Markierung bedarf? Werde ich, als weiße Deutsche, nicht zu einem unmarkierten Markierer, wenn ich „schwarz“ großschreibe und „weiß“ so belasse wie zuvor, als habe dieses kleine Adjektiv, „weiß“, rein gar nichts mit Rassismus zu tun?

Wenn ich aber jetzt – als alter und auch ziemlich altmodischer Mensch – darauf beharre, daß es sich hier auch um Rassismus, nämlich um einen bloß schwarz eingefärbten Rassismus handelt, der mir um keinen Deut sympathischer ist als der weiße, wenn ich mich dabei auf die Bibel berufe, die mit dem Bild von der Gottebenbildlichkeit des Menschen die philosophische Grundlage für die Gleichheit aller Menschen vor Gott (und damit auch auf Erden!) gelegt hat, wenn ich mich weiter auf die amerikanische Declaration of Indepence berufe, eines der nobelsten und zugleich kühnsten Dokumente der menschlichen Geschichte, die mit beispielloser Klarheit festgestellt hat, that all men are created equal, und wenn ich endlich auch unser Grundgesetz zitiere, in dem es kategorisch heißt, daß niemand wegen seiner Rasse benachteiligt, daß aber auch niemand wegen seiner Rasse bevorzugt werden darf, dann bekomme ich dafür aus dem „fortschrittlichen Lager“ meines Landes keine Zustimmung mehr. Es bildet sich ein „Antirassismus“ heraus, der – dumm, wie er ist – das Wort „Rasse“ erst wieder hoffähig gemacht hat, statt es auf den Müllplatz der Geschichte zu werfen. Insofern gehen diese Menschen, die sich allen anderen moralisch überlegen fühlen, noch hinter die Aufklärung des 18. Jahrhunderts zurück.

Hören wir dazu die Kulturwissenschaftlerin Susan Arndt:

Wenn wir sagen: Wir sind alle gleich, wir sind alle Menschen, dann bleibt nicht erzählt, dass Rassismus Menschen immer noch positioniert. Und deshalb hat sich der Widerstand gegen Rassismus darauf besonnen, von Weißen und Schwarzen zu sprechen. In der Wissenschaft heißt das Racial Turn: weg von Rasse als biologischem Konstrukt, hin zu Rasse als sozialer Position, weg vom N-Wort als biologischem Konstrukt des Rassismus, hin zu schwarz als sozialer Position.

Die schwarze Hautfarbe entspricht also einer „sozialen Position“? Das schwarze Gangmitglied in Chicago hat also dieselbe „soziale Position“ wie ein schwarzer Professor am MIT?

Was ist das für ein dummes, ganz und gar rückschrittliches „Konstrukt“! Es hat, mit Verlaub, genauso viel wissenschaftliche Substanz in sich wie das Gendern, nämlich – gar keine.

Dieser Beitrag wurde unter Christentum, Philosophie, Politik, Sprache und Literatur veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert