Seit Wochen protestieren die Studenten der renommierten Bosporus-Universität, einer „führenden Universität in der Türkei“ (Wikipedia), gegen Melih Bulu, ihren neuen, von Erdogan persönlich eingesetzten Rektor mit AKP-Mitgliedsbuch. Da versteht der Sultan freilich keinen Spaß: an die 600 Studenten wurden vorübergehend festgenommen und dürfen das Land auch nach ihrer Freilassung nicht verlassen. Manche von ihnen müssen wie Verbrecher eine Fußfessel tragen.
Denn für Erdogan ist jeder Andersdenkende ein „Terrorist“. Und Devlet Bahçeli, der Chef von Erdogans Bündnispartner MHP, formuliert es noch drastischer (alles hier nachzulesen):
Was da Studenten genannt wird, sind Vandalen, sind Barbaren. Leute, die sich auf Agenten und finstere Kreise stützen, sind nicht unsere Kinder, sondern Giftschlangen, denen man die Köpfe zertreten muss.
Im Original:
Öğrenci dedikleri vandaldır, barbardır. Sırtlarını ajanlara, karanlık çevrelere dayamış olanlar evlat değil, başı ezilmesi gereken zehirli yılanlardır.
Die dünnhäutigen Reaktionen sind auch auf die immer schlimmere wirtschaftliche Lage in der Türkei zurückzuführen. Es gibt aufgrund der unsicheren politischen Lage kaum noch ausländische Investitionen im Land, die Inflationsrate liegt bei ca. 15 %, und viele Menschen wissen nicht mehr, wie sie selbst die nötigsten Grundnahrungsmittel bezahlen sollen:
Aufgrund der Wirtschaftskrise mühen sich mehr als vierzig Prozent der arbeitenden Bevölkerung ab, ihre Familien mit dem Mindestlohn von rund 400 Euro über die Runden zu bringen. In Istanbul lassen 53 Prozent der Menschen eine Mahlzeit ausfallen. Aus purer Not! Diebe entwenden aus Wohnungen heutzutage keine kostbaren Dinge, sondern Sonnenblumenöl, dessen Preis sich binnen Jahresfrist verdoppelt hat.
Da freilich geben die Staatsmedien, wie Bülent Mumay weiter berichtet, gute Ratschläge, etwa ob man Eier mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum noch verspeisen kann. Auch solle man die Kinder nicht mit in den Supermarkt nehmen und statt des Einkaufswagens lieber einen Korb benutzen. Und wem auch das nicht hilft, der muß sich mit dem Rat eines Erdogan-nahen Fernsehsenders trösten: „Langes Fasten verlängert das Leben!“