Die Damen und Herren Laizisten, die Kirchenkritiker, die Anti-Papst-Aktivisten – sie müssen sich schon einmal entscheiden: ist die katholische Kirche mitsamt ihrem Papst ein mittelalterliches, heute gottlob unbedeutendes Relikt, das nicht mehr „in unsere moderne Zeit“ paßt, oder ist sie eine mächtige und gefährliche Organisation?
Sie entscheiden sich in der Diskussion je nach Belieben mal für die erste, mal für die zweite Variante – und zeigen auch dadurch, daß sie die ideologischen Kämpfe der Vergangenheit ausfechten. Die immer aggressiver auftretenden Atheisten und „Laizisten“ – das habe ich schon mehrfach dargelegt – sind argumentativ von einer geradezu peinlichen Plumpheit. In ihrer historischen Unbedarftheit haben sie mit den Wortführern der großen Atheismus-Diskussionen im 18. und 19. Jahrhundert , die man immer noch mit Gewinn lesen kann, wirklich gar nichts mehr gemein. Sie gehorchen eher einem ideologisch fixierten Affekt und gehen deshalb auch im Niveau ihrer Streitkultur noch weit hinter das 18. Jahrhundert zurück.
Es ist fast so etwas wie ein verzweifeltes Aufbäumen, denn sie spüren wohl insgeheim: die Religion geht viel tiefer ins Menschliche hinein, während sie mit ihrer seichten Rationalität (und die Betonung liegt auf seicht!) nicht einmal durch die Oberfläche dringen. Aus dieser (natürlich uneingestandenen) Ahnung der eigenen geistigen Unzulänglichkeit speist sich auch ihre Aggressivität – und ihr Widerwille, die andere Seite auch nur anzuhören.
Wenn der Papst in der kommenden Woche – als Staatsoberhaupt übrigens, nicht als pontifex maximus – vor dem Bundestag eine Rede hält, werden die glühenden Laizisten also nicht anwesend sein. Das ist nicht einmal ein Eklat, allenfalls ein Eklatchen. Und vor allem ist es unhöflich.
Wollen wir denn jetzt nur noch Rednern zuhören, mit denen wir völlig übereinstimmen? Das wäre nicht gerade ein Zeichen von Souveränität und Selbstbewußtsein. Nur wer die Schwäche der eigenen Argumente ahnt, geht den Argumenten der anderen Seite aus dem Weg.
Die Hälfte der Abgeordneten der Linken, so hört man, will der Papstrede fernbleiben, und immerhin noch ein Viertel der Sozialdemokraten. Auch die Grünen werden sicher nicht vollständig sein. Insgesamt werden, wie Stern.de heute berichtet, etwa 100 Abgeordnete aus Protest nicht an der Sitzung teilnehmen. Sie pochen auf die „religiöse Neutralität des Staates“, sagen sie. Das ist, mit Verlaub, ein vorgeschobenes Argument, das die ganze Sache nur rechtlich und argumentativ aufwerten soll – in Wirklichkeit pochen sie fast durchweg auf ihre in den Köpfen einbetonierten, antikirchlichen Klischees, die sie in der DDR mit der kommunistischen Muttermilch aufgesogen oder im Westen in linken Gruppierungen gelernt haben. Der Boykott der „anderen Seite“ ist geradezu ein Beweis dafür, daß es sich hier um ideologische Fixierungen handelt.
Claudia Roth von den Grünen wird dem Papst zuhören. Aber, so sagt sie (nachzulesen in der Berliner Morgenpost):
Was Themen wie die Rolle der Frau oder die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensformen angeht, da sind wir weit auseinander.
Es ist immer dasselbe: kaum redet man in dieser „fortschrittlichen“ Szene über die Religion, redet man fast nur noch über Kondome, Sex und Schwule. Nichts anderes gibt es dann mehr!
Es werde dem Papst ganz guttun, sagt Claudia Roth, nach Berlin zu kommen „und zu spüren, was Realität ist im Jahr 2011“.
Das sagt Claudia Roth dem Papst! – und man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll.