Buhlen

Ein Video über den US-Wahlkampf, das der „WELT Nachrichtensender“ im Internet verbreitet, trägt den Titel

Donald Trump und Joe Biden buhlen um die Macht.

Aber was heißt das eigentlich – „buhlen“?

Am Beginn etwas sehr Fleischliches.

Im Mittelhochdeutschen gibt es das Wort noch nicht, aber schon im 16. Jahrhundert ist es weit verbreitet. Dasypodius übersetzt „ich bule“ mit „ich hab Lieb“. Und Luther wird noch deutlicher. In seiner Bibelübersetzung von 1545, und zwar in den Sprüchen Salomos (7,18), läßt er „ein Weib im Hurnschmuck, listig, wild und unbendig“ einen Jüngling mit folgenden Worten verführen:

Kom, las uns gnug bulen bis an den morgen, und las uns der liebe pflegen. Denn der Man ist nicht da heime, er ist einen fernen weg gezogen.

(Nur ganz nebenbei – die revidierte Lutherbibel von 2017 formuliert die Sache etwas verblümter: „Komm, wir wollen uns satt trinken an der Liebe bis zum Morgen, lass uns die Liebe genießen.)

Friedrich von Logau stellt hundert Jahre später in einem Sinngedicht mit dem Titel „Bule-Kunst“ dem kreativen Werben um die Frau das eher handgreifliche, anpackende Wesen des Bauern gegenüber. (ACHTUNG: sensible Leser sollten das folgende Zitat überspringen, weil die sexistische, rassistische und diskriminierende Schilderung des Landvolks bei ihnen zu seelischen Schäden führen könnte!):

Wer sonst bult, der bult mit reden, schreiben, winken, tanzen, pfeifen,
bauren bulen gar vil näher, bulen balde nur mit greifen.

Heute kennen die Gebildeteren unter uns vielleicht noch die „Buhlschaft“ im Jedermann, die Geliebte des „reichen Mannes“. Das Verb „buhlen“ selbst wird nur noch in wenigen Zusammenhängen eingesetzt, und vor allem: es wird heute abwertend gebraucht – „gehoben abwertend“, heißt es im Duden. Wer also schreibt, Trump und Biden buhlten um die Macht, bedient im Grunde das Vorurteil, daß Macht etwas Anrüchiges sei, um das man nicht „buhlen“ darf. Aber das Gegenteil ist richtig. Denn die Macht wird auch Trump oder Biden vom Volk verliehen, und sie ist zeitlich begrenzt. Kein Grund also, auf den Wettbewerb um die politische Macht hochnäsig herabzublicken.

Im übrigen können sich meine Leser sicher denken, welchem der beiden Buhlenden ich am kommenden Dienstag die Daumen drücke.

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