Ich kann sie kaum mehr ertragen, diese Talkshows. Die ARD hat jetzt alles auf die Spitze getrieben und bietet sie an wie das tägliche Brot: sonntags Jauch, montags Plasberg, dienstags Maischberger, mittwochs Anne Will, donnerstags Beckmann, und am Freitag (einmal im Monat) 3 nach 9. Fast immer große Runden, mit immer denselben Leuten, denselben Themen, denselben Ritualen. Alle Moderatoren behaupten erst einmal, daß sie alles „ganz, ganz anders“ machen wollen, und dann kommen doch wieder Henkel, Scholl-Latour (der immerhin ist oft wunderbar unkorrekt!), Bosbach, Lindner, Kauder, und wie sie alle heißen, fürs Gefühl vielleicht noch der Todenhöfer und für die Lacher der Hirschhausen, und – ein gutes Stück abseits – setzt man irgendeinen „normalen“ Menschen dazu, der auch ein paar Sätze sagen darf, für die alle anderen am Tisch natürlich großes Verständnis haben, wenn sie nicht sogar betroffen sind.
Haben wir denn – in einem Volk von 80 Millionen – nicht wenigstens ein paar Dutzend Menschen, die nicht bloß vorfabrizierte, vorhersehbare Worthülsen absondern? Die in eigenen Worten über eigene Erfahrungen berichten? Die originell sind? Denen man ihren Verstand anmerkt?
Ich fürchte, das Format der Talkshow, so wie wir es jetzt fast täglich erleiden müssen (wenn wir nicht, was fast immer vorzuziehen ist, den Fernseher ausschalten), ist nicht mehr zu retten. Es ist Selbstdarstellung, gegenseitiges Anschreien, dumme Rechthaberei. Wann hat man in einer solchen Sendung zum letzten Mal jemanden gesehen, der nachdenklich ist, klug formuliert, überlegt, bevor er redet? Ich erinnere mich nur an Helmut Schmidt – aber der ist ja nun wirklich eine Klasse für sich.
Statt all dieser dummen Talkshows bräuchten wir viel eher echte Gespräche – also eben nicht fünf oder sechs oder sieben Kampfhähne, sondern zwei kluge Köpfe, die in einem intelligenten Streitgespräch aufeinandertreffen. Aber man müßte sie eben auch reden lassen, sie müßten die Zeit haben, ihre Gedanken zu entwickeln, ohne daß ein Moderator eingreift, abwürgt und alles verwässert. Ein Gespräch zwischen zwei intelligenten Menschen braucht keinen Moderator, es braucht nur – Zeit.
Ich würde zum Beispiel Günter Grass und Henryk Broder in einen Raum sperren und dann ihr Gespräch – völlig unmoderiert! – aufzeichnen. Oder Robert Zollitsch und Harald Lesch. Oder Helmut Kohl und Angela Merkel. Oder Alfred Biolek und Wolfram Siebeck. Ach, so viele Kombinationen sind möglich, wenn gedankliche Funken fliegen sollen – aber man macht es einfach nicht.
Man klügelt in den Redaktionen sicher an Kombinationen herum, aber dann lädt man doch immer wieder die üblichen Verdächtigen ein – und es kommt dieselbe Soße heraus, immer und immer wieder.
Hier hilft nur eins: Enthaltsamkeit. Die Quoten müssen so schlecht werden, daß es die Intendanten und Programmdirektoren graust.
Vielleicht fangen sie dann an nachzudenken – möglich wär’s ja. Aber sehr wahrscheinlich ist es nicht.