Wer redet noch von den Bienen (erinnern Sie sich an das Volksbegehren in Bayern?) oder vom Artensterben? Es wird auf einmal nur noch über die nahende „Klimakatastrophe“, das CO2 und (natürlich!) über die wunderbare Windenergie gesprochen. Die meisten Menschen merken nicht einmal, was sich hier für ein Zielkonflikt zwischen Natur- und Klimaschutz auftut und lassen sich vom neuesten Kinderkreuzzug in die Falle locken.
Da will man, um nur ein Beispiel anzuführen, in einem Städtchen im Rhein-Main-Gebiet ein Feuerwerk mit langer Tradition ausfallen lassen, weil man Angst vor den radikalen jungen „Klimaschützern“ hat. Der Fußabdruck, der Fußabdruck! Dieselben Menschen spazieren bald durch Rapsfelder, die bis zum Horizont reichen, freuen sich am schönen Gelb und haben auch gegen Monokulturen aus Mais und Weizen nichts einzuwenden, die als „Biosprit“ in ihren Motoren enden.
Ich bin nun fast 70 Jahre alt, und wenn ich an die Pflanzen und Tiere denke, die ich in meiner Jugend beobachtet habe, und sie mit der verarmten, ausgeräumten, sterilen Landschaft dieser Tage vergleiche, dann wird mir ganz wehmütig ums Herz. Da geht es nämlich nicht um irgendwelche Kennziffern und Prognosen fürs Jahr 2100, da geht es um ein Artensterben, das mein Leben ganz konkret begleitet hat. Daß ich seit Jahrzehnten keinen Trauermantel, keinen Feuersalamander, kein Rebhuhn mehr gesehen habe, das hat nun wirklich gar nichts mit dem Klimawandel zu tun, wohl aber mit den Monokulturen der intensiven Landwirtschaft und der (gerade im Zeichen der Wohnungsnot) immer weiter fortschreitenden Bebauung und Versiegelung der Böden.
Keine Tierart war je in der Lage, das in Jahrmillionen entstandene Gleichgewicht der Natur völlig zu zerstören. Der Homo sapiens (so hat er sich selbst getauft) kann das. Und er tut es.
Die Energiewende und jetzt vor allem die „Klimawende“ werden das Artensterben unaufhaltsam beschleunigen. Was sind schon ein paar Tier- und Pflanzenarten, wenn es ums Ganze, um die „Rettung des Planeten“ geht? Die Apokalypse klopft schon an die Tür, und da kümmert ihr euch noch um den Feuersalamander?
Ich möchte jeden dieser jungen Weltenretter einmal fragen, ob er auch nur zehn wildwachsende Pflanzen seiner Heimat aufzählen kann. Ob er eine Heuschrecke oder eine Libelle bestimmen kann, die vor ihm auffliegt. Ob er ein Tüpfelsumpfhuhn an seiner Stimme erkennt. Wenn er das alles nicht kann, dann sollte er, bevor er zur Rettung des Planeten schreitet, erst einmal eines tun: lernen, lernen, lernen, auch freitags in der Schule. Die Klimadebatte geht nämlich mit Siebenmeilenstiefeln über alles Kleine hinweg, sie ist auf eine furchtbare Weise global und so abstrakt, daß sie am Überleben einer Insektenart nicht das geringste Interesse mehr hat. Diese Arten werden ja sowieso alle sterben, wenn wir das Klima nicht retten! Der praktische Naturschutz, an dem immer mehr citizen scientists mit Herzblut arbeiten, erscheint den Ideologen als hoffnungslos oldschool, als altmodischer Kram, der angesichts der Apokalypse, die sich uns unaufenthaltsam nähert, nicht mehr der Rede wert ist.
Das ist eben die fatale Perspektive der „höheren Warte“. Man man muß sich nur weit genug über den Erdboden erheben, dann wird, wie es Reinhard Mey in seinem Lied „Über den Wolken“ beschreibt,
Was uns groß und wichtig erscheint,
plötzlich nichtig und klein.
Aber die Welt rettet man nicht mit der lähmenden Angst vor der Apokalypse. Angst ist nie ein guter Ratgeber, die Wut („how dare you“) erst recht nicht. Die Welt rettet man – wenn überhaupt – in vielen kleinen Schritten, wie es das Wort von der „Graswurzelbewegung“ (grassroots movement) meint.
Wer immer nur von oben auf den Planeten herabschaut, hat schon verloren.