Was ist mit Erdogan los? Ist er etwa altersmilde geworden? Sicher, ein paar Angriffe im Nachbarland hat es gegeben und hin und wieder eine Drohung gegen Assad, aber wenn man das mit dem Sultan vergleicht, der er noch vor ein paar Jahren war, könnte man fast von einem Verstummen sprechen. Zum Glück reden andere Mitglieder seiner Mannschaft umso mehr.
Nehmen wir nur einmal das jüngste Erdbeben, das vor kurzem 41 Menschen das Leben gekostet hat. Der Präsident des Roten Halbmonds hat zu Spenden für die Opfer aufgerufen, das klingt normal – aber die Türken zahlen seit 21 Jahren eine „Erdbebensteuer“ von 7,5%. Die Gesamtsumme, die sie dadurch aufgebracht haben, um das Land auf zukünftige Erdbeben vorzubereiten, beträgt 31 Milliarden Euro. Wo ist dieses Geld geblieben?
Bülent Mumay berichtet heute darüber in seiner Kolumne in der F.A.Z. (hier nachzulesen):
Ein wenige Tage nach dem Beben aufgetauchtes Dokument deckt auf, dass der Rote Halbmond als Tarnadresse benutzt wird, um Erdogan-nahen Stiftungen Gelder zuzuschanzen. Wir erfuhren, dass die Summe von acht Millionen Dollar, die ein privates Unternehmen der Hilfsorganisation als Unterstützung zukommen ließ, an die Erdogan-nahe Ensar-Stiftung weitergeleitet wurde. Der von Erdogan eingesetzte Generaldirektor des Roten Halbmonds ist Teilhaber von acht Firmen. Sein Sohn ist Vize-Präsident der Organisation. Offensichtlich wurden unsere Gelder also nicht dafür verwendet, die Türkei auf mögliche Erdbeben vorzubereiten – der Staat ließ es sich bezahlen, dass die Menschen weiter in instabilen Gebäuden wohnen dürfen.
Die Wissenschaft hat ja mit Erdbeben so ihre Probleme, auch außerhalb der Türkei. Deshalb ist es umso erfreulicher, daß ein gewisser Bedri Gencer, Inhaber des Lehrstuhls für Human- und Sozialwissenschaften an einer staatlichen Universität in Istanbul, soeben herausgefunden hat, warum es zu diesem Erdbeben gekommen ist.
Das Verbot von Kinderehen löste das Erdbeben aus.
Dieser fachkundige Professor, der dankenswerterweise das Rätsel der Erdbeben für uns alle gelöst hat, lehrt an einer Universität, die seit dem Putsch 27 ihrer Dozenten entlassen hat.
Ihn hat man in Amt und Würden gelassen.
PS: Der Leiter der türkischen Religionsbehörde bemerkte lapidar: „Die Ereignisse sind eine Prüfung, man muss auf den Tod gefasst sein.“