Ein Kirchenneubau in Neuperlach, von Architektenlyrik umnebelt

Unsere modernen Architekten können zwar kaum noch schöne Gebäude errichten, aber in der Beschönigung des Häßlichen durch ihren Marketing-Jargon sind sie immer noch unschlagbar. Man denke nur an die „harmonische Verbindung von Alt und Neu“, die immer ins Feld geführt wird, wenn neben ein altehrwürdiges Gebäude ein moderner Klotz gesetzt wird. Das gewaltige Ulmer Münster, um nur ein Beispiel zu nennen, ist auf diese Weise von furchtbaren neuen Gebäuden so umzingelt, daß wir bei unserem ersten Aufenthalt in Ulm, so schnell uns die Füße getragen haben, ins Fischerviertel und an die Donau geflüchtet sind.

Jetzt ist also im Münchener Stadtteil Neuperlach eine neue Kirche gebaut und geweiht wurden – und das ist etwas Besonderes, denn es ist der einzige Kirchenneubau im Jahr 2019 in Deutschland. Da wird man sich doch ganz besonders viel Mühe gegeben haben, denkt man – aber nur so lange, bis man einen Blick auf das Äußere und in das Innere dieser Kirche geworfen hat (beides ist hier zu sehen). Zur Warnung: fürchten Sie das Schlimmste, und es wird noch übertroffen!

Die baufällig gewordene Vorgängerkirche, so liest man auf katholische.de, sei 1974 in einer schnell hochgezogenen Siedlung aus Hochhäusern und Wohnblöcken gebaut worden:

Architektonisch passte der Bau zur Umgebung: freiliegender Beton und kantige Formen.

Und was charakterisiert heute, Jahrzehnte später – und, wie man denken könnte, Jahrzehnte klüger! – den Neubau? Richtig, freiliegender Beton und kantige Formen. Nur die Gemeinderäume hat man gnädig mit Holz verkleidet.

„Außen wie innen besticht das Gotteshaus durch seine Schlichtheit“, lobt katholisch.de. Aber ist das denn ein Lob? Seit fast zwei Jahrtausenden baut man jetzt schon Kirchen, und immer ist es darum gegangen, den Entbehrungen des irdischen Lebens, der Nüchternheit des Alltags in der Gestalt der Kirche etwas entgegenzusetzen: Schönheit und Erhabenheit. Der erste Schritt hin ins „Schlichte“ waren viele der evangelischen Kirchen, wie man sie heute noch erlebt: oft schön von außen, innen aber kahl und schmucklos (es zählt ja nur das Wort, nur das Wort!). Nach dem Krieg, als man in kurzer Zeit Kirchen für die vielen katholischen Vertriebenen bauen mußte, sind dann auch die ersten katholischen Kirchen im „modernistischen Stil“ entstanden: allesamt ungeliebt von den Gläubigen, weil sie nicht nur billig waren, sondern auch billig aussahen.

Über das Innere der neuen Kirche schreibt katholisch.de:

Im Kirchenraum dient ein an der Oberseite abgeschnittener Findling aus dem Allgäu als Altar, in den auf der Rückwand angebrachten Rillen scheint eine Kreuzform auf. Daneben gibt es nur einen hölzernen Ambo sowie eine historisierende Marienfigur und einen versilberten Tabernakel aus der alten Kirche.

Und weiter:

Durch die wenigen Ausstattungsstücke und das vor allem aus einer Deckenluke einfallende indirekte Licht entsteht eine meditative Atmosphäre.

Außen billiger Beton, innen (sicher absichtlich) ein Hauch von Zen-Buddhismus. Und wo bleibt da die reiche Tradition christlicher Architektur?

Der Artikel gipfelt in einer Aussage, die wohl tröstlich gemeint ist – und der wir nichts hinzufügen wollen:

Der Kirchbau entstand in kubischen Formen: Ein hoher in Sichtbeton ausgeführter Quader ist durch ein goldenes Kreuz, das sich um eine Gebäudeecke biegt, als Kirche erkennbar.

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