Nehmen wir einmal eine ganz banale Überschrift, diesmal von der BZ:
Frau will mit verletzter Tochter in Klinik – Taxifahrer beleidigt sie und schmeißt sie raus!
Oder auf t-online.de über Prinz Andrew:
Queen schmeißt ihren Sohn raus.
Will man solche Sätze in einer Zeitung lesen, ob online oder gedruckt? Ich jedenfalls nicht. „Schmeißen“ ist ein Wort aus der Umgangssprache, da darf man es verwenden, da gehört es hin. In gedruckten Texten hat es nichts zu suchen, da heißt es „werfen“. (Und es gibt darüber hinaus noch eine Handvoll anderer Synonyme, deren Gebrauch im geschriebenen Deutsch möglich ist.) Aber warum schreiben die Redakteure hier „schmeißen“? Wollen sie sich etwa an einen speziellen Teil ihrer Leserschaft ranschmeißen?
Auch die Jugendsprache, die sich ja eigentlich von der Sprache der Älteren abgrenzen will, wird längst von 20- oder 30jährigen Erwachsenen gesprochen, als seien sie (zumindest sprachlich) nie erwachsen geworden, und niemand scheint sich zu wundern, wenn im Internet und in vielen Zeitungen alles „super“ oder „mega“ ist.
Aber ist das denn überhaupt schlimm? Viele Sprachwissenschaftler begleiten diesen Trend fast wohlwollend und finden, daß selbst das sogenannte „Kanakendeutsch“ noch sein Gutes hat, weil es neue „Frische“ und „Ursprünglichkeit“ in die Sprache bringe. Das ist natürlich Unfug, denn wir haben es hier nicht mit einer Bereicherung, sondern mit einer gravierenden Verarmung der Sprache zu tun.
Es geht nicht darum, daß Sprache sich verändert – das tut sie immer. Es geht darum, daß sich im Deutschen ein dramatischer Verlust an sprachlicher Differenzierung abzeichnet. Man denke nur, was allein an Synonymen verlorengeht, wenn alles Schöne nur noch „toll“ oder „super“ ist!
Ich will an einem Bild zeigen, was ich meine. Die Sprache, so stelle man sich das einmal vor, ist ein Haus mit vielen Stockwerken. Den Keller bildet die Umgangssprache, um sie muß man sich keine Sorgen machen. Sie ist vital und, salopp gesprochen, nicht totzukriegen. Die oberste Etage mit dem Penthaus – das ist die Sprache der Literatur, die gehobene Sprache der Bildung und der Wissenschaft (die letztere freilich schon mit großen Abstrichen). Dazwischen gab es früher alle nur denkbaren Übergänge. Keller und oberste Etage sind immer noch da, aber das Gedränge im Keller ist größer geworden, und unter dem Dach ist es einsam wie lange nicht mehr. Und dazwischen?
Da liegt das eigentliche Problem, da sind mittlerweile ganze Stockwerke unbewohnt. Die Abstufungen im Sprachniveau, die früher durch Elternhaus und Bildungsgang (Volksschule, Realschule, Gymnasium), aber auch durch individuelle Neigungen und Fähigkeiten überall sichtbar waren, verschwinden langsam. Die sprachliche Vielfalt wird geringer, die sprachliche Einfalt, in jeder Hinsicht, größer. Es findet eine Einebnung auf niedrigem Niveau statt, oder um es in unserem Bild auszusprechen: die Kellerbewohner arbeiten sich Etage für Etage nach oben.
Beweisen kann ich das nicht, belegen ja. Der Langsatz etwa ist längst zum Alptraum des deutschen Schülers geworden. Ein längerer Satz mit Einschiebungen, Nebensätzen, Verschachtelungen usw., dem vor hundert Jahren jedes durchschnittlich begabte Schulkind folgen konnte, wird heute zum unüberwindlichen Hindernis. Warum? Weil man den Schüler kaum noch mit solcher Sprache konfrontiert, notfalls mit dem altlinken und dummen Argument (man hört es heute tatsächlich wieder!), daß man fürs arme Arbeiterkind „Sprachbarrieren“ abbauen müsse. Das Arbeiterkind ist überhaupt eine argumentative Allzweckwaffe, mit der man heutzutage jede pädagogische Verrücktheit rechtfertigt.
Daß man auf diese Weise die Schüler permanent unterfordert, daß man ihre Intelligenz einschläfert, daß man ihnen die Möglichkeit nimmt, die (oft ganz andere!) deutsche Sprache der letzten zwei oder drei Jahrhunderte kennenzulernen – das rächt sich heute schon. Und wenn dann manche dieser Schüler, denen man nie die Neugier auf Neues und Schwieriges eingepflanzt hat, selber Lehrer werden, wird sich das Problem noch verschärfen.
Zum Abschluß noch ein kleines Beispiel aus dem Kellergeschoß, diesmal vom Stern, über eine abgesagte Geburtstagsfeier für Prinz Andrew:
Wie der Daily Mirror berichtet, hat die Queen die Sause abgeblasen und auf ein Familienessen heruntergedampft.
Man sieht: hier ist ein Meister der jounalistischen Formulierkunst am Werke.