Die Stimmung im Land wird bald zu vielen rot-grünen (oder grün-roten) Koalitionen in den Ländern führen, aber ich habe so meine Zweifel, ob die Menschen wissen, was da auf sie zukommt.
Nehmen wir nur einmal die Schulpolitik. Die heutige SPD scheint fast nahtlos an ihre fatale Experimentierfreudigkeit der 60er und 70er Jahre anzuknüpfen. Sie will immerfort die Strukturen ändern – als ob das einen besseren Unterricht brächte! In diesem Punkt sind Sozialdemokraten tatsächlich unbelehrbar. Mehr Gerechtigkeit in der Bildung, also „gleiche Bildungschancen für alle“, das – so glauben sie – geht nur in einer Einheitsschule, am besten in einer integrierten Gesamtschule. Das dreigliedrige Schulsystem, auch wenn es in mehreren Bundesländern ausgesprochen erfolgreich ist, muß abgeschafft werden.
In Hessen hat gerade die Herbsttagung der Landesdirektorenkonferenz stattgefunden, in der sich die Direktoren von Gymnasien und Gesamtschulen zusammengeschlossen haben. Die bildungspolitischen Sprecher Heike Habermann (SPD) und Matthias Wagner (Die Grünen) haben dort ihr Programm vorgestellt, das nur noch auf zwei Säulen ruht: der Gemeinschaftsschule und dem Gymnasium. Während die Grünen aber die Entscheidung für die eine oder die andere Schulform den Eltern überlassen wollen, ist für Frau Habermann das Zwei-Säulen-Modell nur ein „Zwischenschritt“ – sie träumt mit ihrer Partei immer noch von einer Einheitsschule, in der alle gemeinsam lernen. Die Vision der SPD, sagt sie, sei kein zweisäuliges Modell, sondern „eine Schule für alle“. Dahinter steht immer noch das in seiner ideologischen Borniertheit ärgerliche Dogma, daß man mit der richtigen Schulform bei einem Kind fast alles erreichen könne. Auch diese Faszination der Machbarkeit (und gleichzeitig die Ausblendung der genetischen Verschiedenheit) ist typisch links – und leider auch sozialdemokratisch.
Als älterer Mensch, der die Folgen der sozialdemokratischen Experimentierwut an den Schulen noch erlebt hat, fragt man sich schon hin und wieder: sind diese Politiker eigentlich noch ganz bei Trost? Machen sie ihre Fehler immer und immer wieder? Es ist doch nicht die Struktur, die über ein gelungenes Schulleben entscheidet! Gut ausgebildete, motivierte Lehrer, kleinere Klassen, ein freundliches, menschliches Lernklima – das zählt, und dabei ist es völlig wurscht, ob das System zwei, drei oder neunundneunzig Säulen hat.
Alles andere – auch das bei Sozialdemokraten tiefsitzende Mißtrauen gegen das Gymnasium – ist einfach nur Ideologie.