Und schon wieder so ein Wort, das zwischen die Fronten der politischen Ideologien geraten ist: „bunt“. Aber bleiben wir erst einmal bei der Sprachwissenschaft.
Im Althochdeutschen, also der Sprachstufe etwa zur Zeit Karls des Großen, ist das Wort, wenn man dem Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm glauben darf, noch nicht nachweisbar. Anders im Mittelhochdeutschen, jener Sprachstufe also, wie sie im Hochmittelalter gesprochen und geschrieben wurde. Da bedeutete es laut Lexer (Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch 1966):
schwarz und weiss gefleckt oder gestreift.
Gerhard Köblers Mittelhochdeutsches Wörterbuch, das online verfügbar ist, nennt folgende Bedeutungen:
gefleckt, gestreift, zweifarbig, mehrfarbig, schwarz-weiß-gefleckt, schwarz-weiß-gestreift.
Die Bedeutung hat sich also im Laufe der Sprachgeschichte verschoben. Hat man damit zuerst alles damit bezeichnet, was nicht einfarbig war und Streifen bzw. Flecken hatte, so unterscheidet man heute viel genauer zwischen „schwarz-weiß“, „zweifarbig“ und eben „bunt“, das meist im Sinne von „mehrfarbig“ gebraucht wird.
Schon in der Goethezeit wird das Wort aber auch im übertragenen Sinne verwendet. Im Deutschen Wörterbuch heißt es dazu etwa:
Eine menschenmenge, wie sie lärmt, wühlt und tobt, erscheint auch bunt und gemischt in farben, vielartig in gesinnung.
„Vielartig in Gesinnung“ – das leitet schon zum heutigen, leider politisierten Gebrauch dieses schönen Wortes über. Den Grünen (in ihrem Namen sind sie einfarbig!), vor allem ihrem linken Flügel, konnte das politische Leben gar nicht bunt genug sein: daher auch seine weitere Bedeutungsverengung. „Bunt“ war nun vor allem eine soziale Mischung von möglichst vielen Nationalitäten und sexuellen Orientierungen in einem Land. Das Wort von der „Bunten Republik Deutschland“ kam auf, und alles sollte – ohne Rücksicht auf Verluste – auf einmal „bunt“, „tolerant“ und „weltoffen“ sein.
Diese Wörter – alle an sich wichtig und schön und bewahrenswert – sind leider zu fast inhaltslosen Worthülsen geworden, wie man sie aus der Werbe- und Marketingbranche kennt. Sie zu verwenden, begründet in der Regel schon die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ideologie, und es ist heute kaum noch möglich, sie unbefangen zu gebrauchen, denn für die extreme Rechte, geistig und sprachlich nicht weniger schlicht als ihre Gegner, sind „bunt“ und die anderen Attribute zu Schimpfwörtern verkommen, die man nur noch hämisch und herabsetzend verwendet.
Was also tun? Eines jedenfalls nicht: auf diese schönen alten Wörter verzichten, nur weil sich dumme, ungebildete Minderheiten ihrer bemächtigt haben. Ich jedenfalls lasse mir den klugen Gebrauch so ehrwürdiger Wörter weder von den Linken noch von den Grünen oder den Braunen verbieten.
Man kann sie nämlich – ein bißchen Sprachgefühl vorausgesetzt – durchaus so verwenden, daß schon durch den Kontext ersichtlich wird, daß man sich dem parteipolitischen und ideologischen Mißbrauch der Sprache widersetzt.