Der Islam, so scheint es, geht seinem Ende entgegen. Das ist nicht nur meine Meinung: Hamed Abdel-Samad hat schon vor sieben Jahren in einem aufsehenerregenden, klugen Buch (als Taschenbuch bei Knaur erschienen) den „Untergang der islamischen Welt“ prophezeit.
Aber spricht nicht alles gegen diese These?
Spätestens seit Khomenis Machtergreifung scheint der politische Islam den halben Erdball zu beherrschen – die Nachrichten sowieso. Die grausamen Morde, die im Namen des Propheten begangen werden, lassen die Welt seit Jahrzehnten nicht mehr zur Ruhe kommen. Überall, wo er herrscht, sorgt der Islam für Unterdrückung und Unruhe und (zumindest in seinen vitalsten, aggressivsten Gruppen) auch für Mord und Totschlag.
Er strotzt vor mörderischer Kraft. Und da soll sein Untergang bevorstehen?
Das ist freilich nur scheinbar ein Paradoxon.
Von Demokratie reden wir erst gar nicht – einen demokratischen Staat mit islamischer Mehrheit gibt es nicht. Selbst die Türkei, die dank Atatürk jahrzehntelang halbwegs demokratisch war, gleitet unter Erdogan ohne großen Widerstand in die Despotie ab. Natürlich: man hat heutzutage ein Parlament und einen Parlamentspräsidenten, das gehört sich so. Aber es ist nur Fassade, Filmkulisse, denn der eigentliche Prüfstein für eine funktionierende Demokratie: strikte Gewaltenteilung, eine freie Presse und eine unabhängige Justiz – das alles ist in islamischen Staaten nur rudimentär oder gar nicht vorhanden.
Dafür lebt in ihnen eine Kultur der Gewalt und des Todes. Schon kleinen Kindern zeigt man dort oft Fernsehsendungen mit Gewalt- und Hinrichtungsvideos – ein Verbrechen an den Kinderseelen, das nicht mehr gutzumachen ist. Solche Bilder graben sich tief ein und wirken noch über Jahrzehnte nach. Anders ist gar nicht zu erklären, wie ein junger Mann mit kindlichem Gesicht wie Younes Abouyaaqoub fähig ist, auf den Ramblas Jagd auf Menschen zu machen. An das Märchen von der „schnellen Radikalisierung“ glaube ich nicht. Die Bereitschaft zu einer solchen Tat setzt eine jahrelange innere Vorbereitung voraus, eine Art Inkubationszeit, und die Indoktrination durch einen kriminellen Imam ist dann nur noch der Auslöser.
Warum aber fast alle politischen Morde der letzten Jahrzehnte im Namen des Propheten verübt wurden, bleibt eine bohrende Frage, der sich die Muslime auf der ganzen Welt stellen müssen. Mit einer oberflächlichen Selbstentlastung („wer so etwas tut, ist kein Muslim!“) dürfen sie nicht davon kommen.
Eine Religion, die (wie es in manchem islamischen Staat gängige Praxis ist) Abtrünnige mit dem Tode bedroht, die sich also nur noch durch Gewaltandrohung am Leben hält, ist jedenfalls nicht auf Dauer lebensfähig.
PS: Vielleicht sollte man, um sich dieser Frage anzunähern, einfach einmal die beiden Religionsstifter – Jesus und Mohammed – miteinander vergleichen. Es könnte erhellend sein.