Eine Ehe ist eine Ehe ist eine Ehe! oder: Hier irrt Jürgen Kaube

Da traut man seinen Augen nicht. Der von mir geschätzte Jürgen Kaube, einer der Herausgeber der F.A.Z., widerspricht in einem merkwürdig verschwurbelten Artikel im Feuilleton seiner Zeitung den eigenen Kollegen. Die haben nämlich in den letzten Tagen mit großer Präzision herausgearbeitet, daß eine „Ehe für alle“ (übrigens auch sprachlich eine selten dumme Parole!) mit Buchstaben und Geist des Grundgesetzes nicht vereinbar ist.

Nun hat es in der F.A.Z. eine lange Tradition, daß man im Feuilleton bei manchen Themen ein bißchen liberaler ist, ein bißchen anders argumentiert als im politischen Teil der Zeitung. Das ist gut so, und oft macht es auch wirklich Spaß, wenn man beobachtet, wie sich da zwei Fraktionen innerhalb der Redaktion intellektuell miteinander messen. Im Fall Kaube freilich bleibe ich ratlos zurück.

„Der Staat hat nicht darüber zu befinden, was ’natürlich‘ ist“, schreibt er gleich am Anfang kategorisch ((hier nachzulesen). Als ob der Staat das täte! Das Grundgesetz jedenfalls tut es nicht, es schützt und stärkt nur, was für Staat und Gesellschaft von elementarer Bedeutung ist, und das ist nicht nur das Recht, sondern die Pflicht einer Verfassung. Daß man jenseits des Rechts darüber nachdenken darf, ob etwas „normal“ oder „natürlich“ ist, versteht sich von selbst, und ich sehe nicht ein, daß ich mir das verbieten lassen sollte. Wenn über 90% der Paare bei uns heterosexuell sind, dann ist das normal, und niemand wird diskriminiert, wenn man diesen Tatbestand feststellt.

Aber dann argumentiert Kaube mit einer List, man könnte freilich auch, etwas bösartiger sagen: er baut einen kleinen Popanz auf, damit er umso kräftiger draufschlagen kann.

Der Schutzanspruch der Ehe ist in den meisten Argumentationen an den Gedanken gebunden, dass Familien soziale Gebilde sind, in denen Kinder gut heranwachsen.

Haben sie es bemerkt? Das Wörtchen „gut“ ist der kleine Popanz. Keine Verfassung der Welt würde es wagen zu behaupten, daß alle Kinder in Familien „gut heranwachsen“. Dagegen spricht der gesunde Menschenverstand. Entscheidend ist, daß überhaupt aus der Ehe Kinder entstehen können und damit der Fortbestand der Gesellschaft gesichert ist. Das trifft auf homosexuelle Partnerschaften nicht zu, deshalb sind sie immer auf heterosexuelle „Leihmütter“ (im weitesten Sinne des Wortes) angewiesen.

Kaube haut dann noch lange auf den Popanz ein, den er selbst geschaffen hat:

Es gibt Kernfamilien, in denen Kinder schlechter heranwachsen, als wenn sie von den Großeltern oder jemand anderem erzogen würden. Dass Mann und Frau Kinder bekommen können, qualifiziert sie noch nicht dazu, sie auch erziehen zu können.

Seit es die Liebesheirat gibt, gibt es auch die Hasskrisen, von denen noch niemand behauptet hat, sie seien ein Beitrag zum Gemeinwohl oder dem der Kinder.

Das sind haargenau dieselben Nebelkerzen, die von den Schwulenverbänden geworfen werden. Sie klingen plausibel, gehen aber am politischen und rechtlichen Kern der Sache vorbei.

Des Themas noch weniger würdig sind allerdings Beiträge, die aufgrund von Affekten wissen, was richtig ist, um dann an den Haaren Begründungen für diese Affekte herbeizuziehen, die aus Vorurteilen mitunter der niedrigsten Art zusammengefaselt sind.

Was meint Kaube damit? Vor allen: wen meint er da? Die Wutbürger im Internet? Die sind keiner Beachtung wert. Und in den gedruckten Medien habe ich zu diesem Thema keinen einzigen Artikel gelesen, in dem „Vorurteile der niedrigsten Art“ artikuliert worden wären. Natürlich gibt es die noch, und wahrscheinlich wird es sie immer geben. Aber in der ernsthaften Diskussion spielen sie doch keine Rolle.

Dann erwähnt Kaube neue „Entwicklungen auf dem Gebiet der Liebe, der Sexualität, der Erziehung, der Reproduktionsmedizin und der familiären Rollenbilder“. Alles richtig, aber was hat das mit der Schutzfunktion von Art. 6 GG zu tun? Der Staat mischt sich doch nicht in Liebe, Sexualität und Erziehung ein – es sei denn, daß Rechte etwa von Kindern verletzt werden. Und bei der Reproduktionsmedizin hat er (was ja auch die F.A.Z. immer wieder schreibt) wahrhaftig jedes Recht, sich einzumischen. Wenn hier also nur gesagt werden soll, daß sich eine Gesellschaft laufend verändert, dann ist das ein Platitüde. Die Aufgabe einer Verfassung ist es aber nicht, sich stromlinienförmig an den Zeitgeist anzupassen. Im Gegenteil, sie formuliert das Wichtige, Unverrückbare, jene Werte und Grundrechte, die man notfalls auch gegen den Zeitgeist verteidigen muß. Dazu ist sie da.

Dann kämpft Kaube gegen die „Redensart“,

es habe die Natur die Ehe hervorgebracht, um die Reproduktion der Arten zu garantieren.

Wer sagt denn so etwas? Jeder halbwegs gebildete Mensch weiß doch, daß die Ehe ein Ergebnis der menschlichen Kultur ist (eines der großartigsten übrigens!). Sie bändigt ja gerade die Natur, sie soll, auch wenn ihr das natürlich nicht immer gelingt, die aggressiven Bestandteile der Sexualität mildern und kanalisieren und so ein friedliches, auf Dauer angelegtes Zusammenleben von Mann und Frau herbeiführen. Also: schon wieder ein Popanz!

„Wer die Ehe idealisiert“, sagt Kaube, „kennt einige ihrer Wirklichkeiten nicht“. Aber wer, um Himmels willen, idealisiert denn die Ehe? Sie ist ein gesellschaftlicher Kompromiß, sie bedeutet lebenslange Arbeit – und natürlich kann sie scheitern. Und sie ist trotzdem eine der größten Errungenschaften in der Geschichte der Menschheit.

Übrigens waren den „Müttern und Vätern des Grundgesetzes“, über die Sie hier Näheres erfahren können, Naivität und Idealisierung fremd, dazu genügt ein Blick ins Grundgesetz. Das waren alles gestandene Männer und Frauen, mit aller Lebenserfahrung, die Menschen haben können. Sie haben weder die Ehe noch sonst etwas idealisiert. Sie haben nur Pflöcke eingeschlagen, und sie haben bei sparsamem Umgang mit der Sprache am Ende eine der besten Verfassungen der Welt geschaffen.

Wir sollten unser Grundgesetz so lassen, wie es ist, und vor allem sollten wir uns nicht vom Zeitgeist Interpretationen aufzwingen lassen, die seinem Geist und seinen Buchstaben widersprechen.

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