Ich bin, was die Möglichkeit eines liberalen, menschenfreundlichen Islams angeht, pessimistischer geworden. Pessimistischer, aber ich denke gar nicht daran, schon aufzugeben. Aber eines weiß ich: wenn es überhaupt je einen solchen Islam geben sollte, dann wird er hier bei uns in Europa entstehen. Nicht im Maghreb, nicht im Iran, und schon gar nicht in Arabien.
„Entstehen“ – das ist freilich fast euphemistisch, denn es wird ein langer Prozeß sein, und er wird viele Opfer kosten. Aber wie war das denn bei den christlichen Konfessionen? Nach der Reformation hatten wir bis zum 30jährigen Krieg verheerende Religionskriege, die ganze Landstriche Europas entvölkert haben. Noch in der Nachkriegszeit habe ich selbst erlebt, wie scharf sich hier mitten im schönen Hessen Lutheraner und Reformierte (beides Protestanten!) voneinander abgegrenzt haben.
Man darf nie vergessen, was Religionen an Unheil anrichten können.
Das Christentum immerhin hat es in einem jahrhundertelangen Prozeß geschafft, zur ursprünglichen Friedfertigkeit zurückzufinden. Das war auch deshalb leichter, weil Jesus anders als Mohammed kein Krieger und Feldherr war, sondern ein ειρηνηποιος, ein Friedensstifter. Haß auf Ungläubige und Aufrufe zu einem „heiligen Krieg“ wird man im Neuen Testament vergeblich suchen.
Im Islam hat sich leider die Religion mit dem arabischen Männlichkeitsgehabe und der Lust an der Gewalt zu einem gefährlichen Gebräu vermischt. Dazu kommt der völlige Verzicht darauf, den Koran philologisch und historisch zu betrachten. Dadurch wird eine kritische Theologie, wie sie im Christentum seit über hundert Jahren betrieben wird, völlig unmöglich gemacht, ja schon der Versuch dazu kann einem Theologen das Leben kosten.
Viele aufgeschlossene Muslime glauben nicht mehr an eine Reformierbarkeit des Islams, sie haben sich zurückgezogen oder beschreiben nur noch (wie zum Beispiel Hamed Abdel-Samad) den „Untergang der islamischen Welt“. Es ist ein Szenario, das wahrscheinlicher wird, das gebe ich zu. Aber was wäre ich für ein Europäer, wenn ich nicht daran glaubte, daß sich selbst die verstocktesten Menschen eines Besseren besinnen können?
Aber die Geduld der Menschen geht so langsam zuende, und das kann man niemandem verdenken. Die ruchlosen Attentate auf uns „Ungläubige“ werden in immer schnellerem Takt verübt (man kann es sich kaum noch merken: Brüssel? Paris? London?), und damit sollen wir jetzt leben? Die nächsten Jahre? Die nächsten hundert Jahre?
Und dann kommt eine gebildete und kluge Frau wie Lamya Kaddor, die in Köln vergeblich für eine muslimische Demonstration gegen den Dschihadismus geworben hat, und redet von einer „Bringschuld“ der Deutschen. Wie bitte? Wer hat denn mehr als jedes andere Land in Europa für die muslimischen Flüchtlinge getan – und dabei sogar den Frieden innerhalb der eigenen Gesellschaft und der EU gefährdet? Könnte man das nicht auch einmal würdigen? Nein, eine Bringschuld haben wir weiß Gott nicht. Im Gegenteil.
Ich bin nun wirklich ein gutmütiger Mensch, und ich habe die umstrittene Entscheidung von Angela Merkel, fast eine Million muslimischer Kriegsflüchtlinge in unser Land zu lassen, immer verteidigt (und das tue ich noch heute). Niemand erwartet dafür große Dankbezeigungen, denn wenn man notleidenden Menschen hilft, dann tut man das aus christlicher Nächstenliebe heraus – und das war sicher bei den Zehntausenden von Helfern der entscheidende Impuls.
Aber man möchte dafür auch nicht beschimpft und angepöbelt werden. Die Kölner Silvesternacht hat überdies gezeigt, daß eben nicht nur Notleidende ins Land gekommen sind, sondern auch gemeine Verbrecher.
Wie kann man da heute noch von einer Bringschuld reden?