Erdogans Referendum – und dann?

Egal, wie das Referendum ausgeht, ob Erdogan seine fast unbegrenzte Machtfülle erhält oder ob die modernen, verfassungstreuen Türken ihm die verdiente Niederlage bereiten, das Land wird keine Ruhe bekommen.

Erdogan hat eine geheime, nicht einmal so ungeschickte Agenda: sein Fernziel, die Zerschlagung des säkularen Staates und die Islamisierung der Türkei, hätte er mit einem Staatsstreich niemals erreichen können, da wäre der Widerstand zu groß gewesen. Das wußte er. Also ging er daran, in vielen kleinen Schritten das Land zu islamisieren. Das Kopftuch, das auf einmal die Frauen der Regierungsmitglieder trugen, war dabei von großer symbolischer Bedeutung. Es war eine unverhüllte und besonders drastische Absage an die Türkei Kemal Atatürks – wie ja das Kopftuch überall auf der Welt, auch wenn viele muslimische Frauen sich das schönreden, ein Symbol der Rückständigkeit ist. Es hat nichts mit Religion zu tun, sondern mit Unterwerfung.

So wie früher bei uns bis ins 19. Jahrhundert hinein den Frauen ein männliches Dreigestirn – Gott, Kaiser (oder König) und Ehemann – übergestülpt war, so sind es in der Türkei, wenn Erdogan sich durchsetzt, der Koran, der Sultan und der Gatte. Daß man den Frauen dann auch noch einredet, daß das Kopftuch sie schmückt und eine besondere Auszeichnung sei, ist besonders verachtenswert.

Nein, es ist, um ein bekanntes Zitat abzuwandeln, „ein Tuch, sie zu knechten“.

„Mohammed statt Atatürk“ – das war der Plan Erdogans, und als er merkte, daß viele Türken das alles apathisch hinnahmen (auch weil er gleichzeitig für einen wirtschaftlichen Aufschwung sorgte), wurde er immer dreister. Die Ausschaltung der Opposition hat lange vor dem „Putsch“ begonnenen, den er jetzt als scheinheilige Begründung für seine „Maßnahmen“ anführt.

Er hat aus ganz egoistischen Gründen die türkische Gesellschaft gespalten, und das ist das eigentlich Schlimme: egal, wer das Referendum gewinnt, die Gesellschaft wird auf lange Zeit tief gespalten sein, und wenn Erdogan tatsächlich verlieren sollte, werden die Schlägertrupps von der AKP, wie schon jetzt in vielen Städten, mit Gewalt gegen die „Verräter“, die „Feinde des Türkentums“ vorgehen.

Keine guten Aussichten für ein so schönes Land – und für seine Menschen, die (wenn sie nicht politisch aufgehetzt sind) freundlich und liebenswert sind.

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