Über das Tier im Christentum

Gerade für einen Christen muß es ein immerwährendes Ärgernis sein, wie sich seine Kirche den Tieren gegenüber verhält. Es ist dies – historisch gesehen – ein Teil des jüdischen, also alttestamentlichen Erbes, aber heute, gut 2000 Jahre nach Christi Geburt, ist die herablassende Einstellung zum Tier durch nichts mehr zu rechtfertigen.

Ein Beispiel dafür mag eine Stelle aus dem katholischen Katechismus von 1993 sein. Dort heißt es:

Tiere, Pflanzen und leblose Wesen sind von Natur aus zum gemeinsamen Wohl der Menschheit von gestern, heute und morgen bestimmt.

Von Natur aus? Was heißt das? Wie kann man so eine Hypothese begründen?

Dann kommen ein paar Sätze, die auf den ersten Blick wie eine Einschränkung wirken: die Herrschaft des Menschen über die Tiere sei nicht absolut, die „Ehrfurcht vor der Unversehrtheit der Schöpung“ müsse gewahrt werden, man dürfe sie nicht „nutzlos“ leiden lassen usw. Natürlich fehlt auch nicht der Hinweis auf die beiden Heiligen, Franz von Assisi und Philipp Neri, die aber – was nicht im Katechismus steht – mit ihrer Liebe zu den tierischen Mitgeschöpfen in der Kirche ziemlich allein dastehen.

Aber dann! Dann liest man nämlich in Art. 2418 zwei Sätze über die Tiere, die wie ein Fallbeil klingen:

Auch ist es unwürdig, für sie Geld auszugeben, das in erster Linie menschliche Not lindern sollte. Man darf Tiere gern haben, soll ihnen aber nicht die Liebe zuwenden, die einzig Menschen gebührt.

Im deutschen Kompendium dazu heißt es 2005 kurz und bündig: „übertriebene Liebe zu Tieren … ist zu meiden“.

Mir hat der Atem gestockt, als ich diese Sätze im katholischen Katechismus das erste Mal gelesen habe.  Wenn man ganz offen so viel menschliche Überheblichkeit und Arroganz zeigt, sollte man auch nicht von „Bewahrung der Schöpfung“ reden. Ein paar Fußnoten mit Hinweisen auf die biblische Schöpfungsgeschichte können nichts wiedergutmachen, was solche Sätze anrichten. Und vor allem sollte man sich dann auch nicht wundern, daß sich so viele junge Menschen dem Buddhismus zuwenden, der in seiner Einstellung zum Tier viel konsequenter (und ehrlicher!) ist.

Das anthropozentrische Weltbild ist ein bedenkliches Erbe, das die Christen vom jüdischen Glauben übernommen haben. Ein Jesuswort, das diese Überheblichkeit aus christlicher Sicht rechtfertigen würde, kenne ich nicht.

Ich möchte an dieser Stelle ein paar Zitate von Arthur Schopenhauer in die Diskussion einführen, der  – man wird es schon gemerkt haben – mein Lieblingsphilosoph ist. Es gibt unter den Philosophen keinen größeren, energischeren und eloquenteren Fürsprecher für die Tiere als ihn.

Die vermeinte Rechtlosigkeit der Thiere, der Wahn, daß unser Handeln gegen sie ohne moralische Bedeutung sei, oder, wie es in der Sprache jener Moral heißt, daß es gegen Thiere keine Pflichten gebe, ist geradezu eine empörende Rohheit und Barbarei des Occidents, deren Quelle im Judenthum liegt. In der Philosophie beruht sie auf der aller Evidenz zum Trotz angenommenen gänzlichen Verschiedenheit zwischen Mensch und Thier.

Schopenhauer hat zeitlebens alles in sich aufgesaugt, was zu seiner Zeit von den alten asiatischen Religionen nach Europa gedrungen ist. Auch die neuen Erkenntnisse der Naturwissenschaften hat er sofort in seine Schriften aufgenommen. Sehen wir uns einmal an, was er zum Verhältnis von Mensch und Tier zu sagen hat:

Man muß wahrlich an allen Sinnen blind, oder vom foetor Judaicus total chloroformirt seyn, um nicht zu erkennen, daß das Wesentliche und Hauptsächliche im Thiere und im Menschen das Selbe ist, und daß was Beide unterscheidet, nicht im Primären, im inneren Wesen, im Kern beider Erscheinungen liegt, sondern allein im Sekundären, im Intellekt, im Grad der Erkenntnißkraft … Daß die Moral des Christenthums die Thiere nicht berücksichtigt, ist ein Mangel derselben, den es besser ist einzugestehen, als zu perpetuieren … Mitleid mit Thieren hängt mit der Güte des Charakters so genau zusammen, daß man zuversichtlich behaupten darf, wer gegen Thiere grausam ist, könne kein guter Mensch seyn.

Und er spricht – höchst modern! – vom seltsamen Begriff einer „bloß zum Nutzen und Ergötzen der Menschen ins Daseyn gekommenen Thierwelt“, in dessen Folge man in Europa „die Thiere ganz als Sachen behandelt“.

Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

Nur das vielleicht noch: eine Umkehr, wie sie die christlichen Kirchen gern von ihren Schäflein fordern, sollten sie hier schleunigst an sich selbst vollziehen. Falls der furchtbare Absatz im katholischen Katechismus noch immer gültig ist, muß er entfernt werden. Ihn stützt, wie gesagt, kein Jesuswort, er ist unnötig, ärgerlich und entspricht eher dem jüdischen als dem christlichen Glauben. Seine Wurzeln sind jüdisch-archaisch, nicht christlich.

Wer immer ihn so formuliert hat, sollte sich schämen.

Dieser Beitrag wurde unter Christentum, Natur veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert