Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Heimchen am Herd.
Nein, es geht hier nicht um die gleichnamige Grille Acheta domesticus, die gern in feuchten und warmen Kellern in der heimeligen Nähe des Menschen überwintert. Es geht um ein Heimchen, das viel seltener, viel bedrohter ist – es geht um eine wirklich vom Aussterben bedrohte Art: das Heimchen am Herd.
Seit einem halben Jahrhundert führt man nun schon gegen das Heimchen am Herd einen erbarmungslosen Vernichtungsfeldzug. Die Mobilmachung begann in den 60er Jahren: da war es auf einmal ehrenrührig, wenn eine Frau, statt berufstätig zu sein, die Kinder erzog und den Haushalt versorgte. Nein, nicht nur ehrenrührig, es war nichts weniger als ein Verstoß gegen die fortschrittliche Weltordnung! Daß man verächtlich über so eine rückständige Frau sprach, war noch das Geringste. Sie war auf jeden Fall schon durch ihre bloße Existenz jedem fortschrittlichen Menschen ein Ärgernis.
Und sie ist es heute immer noch.
Aber man ist listiger geworden. Eine Frau möchte zuhause bleiben und dafür sorgen, daß aus ihren Kindern anständige Menschen werden? Aber natürlich! Warum auch nicht? Es ist zwar eine etwas abartige Vorstellung, daß sich eine Mutter den ganzen Tag nur um ihre Kinder kümmert, aber – bitte sehr: auch Minderheiten muß es geben, man muß sie halt gewähren lassen. Obwohl – so richtig verwirklichen kann sich eine Frau als Heimchen am Herd ja nicht, das steht fest. Verwirklichen kann sie sich als Friseuse oder bei Lidl an der Kasse oder wenn sie ihrem Chef den Kaffee kocht. Aber doch nicht als mater familias.
Wie ich darauf komme? Die designierte Ministerpräsidentin des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbauer, meinte heute in einem F.A.Z.-Interview:
An die Familienpolitik im Jahr 2011 haben die Menschen ganz andere Erwartungen als in den fünfziger Jahren. Das Familienbild von damals existiert nicht mehr. Wenn wir heute als Volkspartei auch von Frauen gewählt werden wollen, brauchen wir eine Politik, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Mittelpunkt stellt und nicht das Heimchen am Herd.
Da ist es wieder, das Heimchen am Herd! Es ist offenbar das Feindbild schlechthin für die fortschrittliche Frau von heute, der Popanz, auf den man am liebsten einschlägt. Und das „Familienbild von damals“ – existiert es wirklich nicht mehr, wie Frau Kramp-Karrenbauer meint? Oder hat man es den Frauen nur ausgetrieben, weil es nicht in die feministisch-linke Ideologie paßt? Es ist doch wirklich eine in jeder Hinsicht erfüllendere Aufgabe (und da spreche ich aus eigener, langjähriger Erfahrung), liebevoll für meine Kinder zu sorgen, als zu einem Billiglohn im Supermarkt zu arbeiten!
Die Wahrheit ist eine ganz andere: seit langem haben Frauen (und Männer, wenn sie es denn wollen) gar nicht mehr die Möglichkeit, zwischen Berufstätigkeit und Kindererziehung frei zu wählen. Angesichts von Niedriglöhnen und Zeitarbeit ist es heute praktisch kaum noch möglich, eine Familie von einem einzigen Gehalt zu ernähren. Wir haben es damals noch geschafft, aber das war in den 80er Jahren, und es war auch da schon schwer genug. Die finanziellen Probleme waren oft drückend, aber ich würde es gerade so wieder machen. Ich habe mich selten so wohl gefühlt wie damals – als (männliches) Heimchen am Herd.
Selbstverwirklichung ist schön und gut, aber das Wohlergehen der Kinder war uns wichtiger.
Es muss endlich etwas getan werden, damit Familie und Beruf vereinbarer werden. Nur so kann man langfristig Deutschland zu einem kinderfreundlichen Land machen. Erst kürzlich habe ich hierzu einen interessanten Beitrag von dem Philosophen Richard David Precht gelesen, den ich nur empfehlen kann: http://bit.ly/nEFAgl