Das meint jedenfalls Robin Alexander von der Welt. Nachdem er Lobreden und Lobhudeleien über die Kanzlerin (zuletzt die von Obama) aneinandergereiht hat, wird er deutlich:
Ein Land ohne ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, ohne Atomwaffen und nur mit einem Fünfzehntel der amerikanischen Militärausgaben bleibt außenpolitisch, wenn überhaupt, eine Mittelmacht.
Was für ein Argument! Die alten Griechen, immerfort zerstritten, mit noch viel weniger Rüstung als das heutige Deutschland (sie haben sich immer erst bewaffnet, wenn die Perser schon vor ihrer Küste standen!), sind bis heute eine der Säulen, auf denen Europa steht. Man braucht keine Atomwaffen, um die Werte der freiheitlichen Demokratie zu verteidigen, und wie man an der wachsenden Bedeutung Deutschlands in der Welt sieht, braucht man dazu auch keinen ständigen Sitz im Sicherheitsrat. Das „alte Europa“, wie es Rumsfeld 2003 herablassend nannte, ist immer noch ein Hort von Freiheit und liberaler Demokratie, und es wird sie nicht nur gegen Islamisten und Diktaturen verteidigen, sondern auch – wenn es denn traurigerweise nötig werden sollte – gegen autoritäre Entwicklungen im modernen Mutterland der Demokratie, den USA. Das ist übrigens ganz und gar nicht „antiamerikanisch“, im Gegenteil: wir unterstützen damit alles, was gut ist an den USA, und damit auch das, was Amerika nach dem Krieg zum Vorbild für ganz Europa gemacht hat. Die „Not my president!“-Bewegung, die (wie auch die kritische Presse!) schon jetzt von Trump und seinen Hofschranzen verunglimpft wird, das ist nicht etwa „auch Amerika“, es ist die Mehrheit, die nur aufgrund des seltsamen Wahlrechts die Wahl verloren hat.
Die Überschrift von der „überschätzten Kanzlerin“, die übrigens im Artikel selbst kaum argumentativ unterfüttert wird, geht also an der Wirklichkeit völlig vorbei, zumal die wirklich katastrophalen Fehlentscheidungen Merkels (wie die Energiewende) nicht einmal erwähnt werden. Daß Merkel, wie Alexander tadelnd bemerkt, nicht so sehr als Deutsche, sondern als Europäerin handelt, ist ja nun wirklich eher des Lobes würdig.
PS: Angela Merkel gibt heute abend höchstwahrscheinlich bekannt, daß sie erneut für das Kanzleramt kandidieren wird. Wem das von Herzen zuwider ist, sollte laut und deutlich sagen, wen er sich stattdessen im Amt vorstellen kann. Gabriel? Schäuble? Stegner? Kauder? Lindner? Kretschmann? Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine? Oder gar Storch, Petry und Gauland? Wenn man „gegen eine Welt von Feinden“ kämpfen muß (jetzt leider auch gegen eine heruntergekommene Republikanische Partei in den USA), dann ist das wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, gerade jetzt die Führungsmannschaft auszuwechseln. Bei Merkel kennt man, immerhin, ihre guten und ihre schlechten Seiten, und das scheint mir in diesen Zeiten allemal wichtiger, als sich ein (verdorbenes?) Überraschungsei à la Trump ins Haus zu holen.