Der wunderbare Herr Mustafa Yeneroglu bei Maybrit Illner

Mustafa Yeneroglu ist eine Kämpfernatur. Und – das muß man ihm lassen – er ist zugleich ein wunderbarer Schauspieler! Am liebsten gibt er auf der Bühne den Empörten, den Beleidigten. In dieser Rolle brillierte er schon vor Monaten, als er im Zusammenhang mit dem versuchten Völkermord an den Armeniern von „Umsiedlungsprogrammen“ sprach, die man doch schon 1917 beendet habe. Danach, sagt Yeneroglu, hätten die Armenier „wieder zurückkehren“ dürfen (hier nachzulesen).

Das Problem ist nur, daß die meisten Armenier da schon tot waren.

Auch gestern, bei Maybrit Illner, war Yeneroglu sichtlich gut gelaunt. Er spielte eine Rolle, die ihm sozusagen auf den Leib geschrieben ist: er gab den Kleinen Erdogan.

Der Große Erdogan hat verständlicherweise keine Zeit für deutsche Talkshows, er muß ja gerade die Türkei in den Abgrund stürzen. Aber Yeneroglu, der Kleine Erdogan, war die Stimme seines Herrn und vertrat ihn würdig. Beim Kleinen und Großen Erdogan verhält es sich nämlich wie folgt: sie bilden ein System kommunizierender Röhren. Gibt der Große Erdogan den Besonnenen, Bescheidenen, dann tut es ihm der Kleine Erdogan nach. Jetzt aber, wo der Große Erdogan vor Kraft nur so strotzt, strotzt auch der Kleine Erdogan. Wo der Große seine Gefängnisse mit allen füllt, die gegen ihn sind (oder vielleicht einmal gegen ihn sein könnten!), duldet auch unser Kleiner Erdogan keinen Widerspruch. Schon gar nicht von Ungläubigen! Der Gastgeberin bescheinigt er, daß sie „überhaupt keine Ahnung“ von der Türkei habe, und die kurdischstämmige Abgeordnete des Deutschen Bundestages, Sevim Dagdelen, ist für ihn natürlich eine Sympathisantin der PKK. Wie sein Präsident ist er hochempfindlich: die Argumente der Gegenseite anhören und dann ruhig entgegegnen – das ist seine Sache nicht. Er fällt jedem ins Wort, als sei er als einziger in der Runde im Besitz der Wahrheit, lacht spöttisch, unterbricht in einem fort seine Gesprächspartner – und wenn wir nicht wüßten, daß er ja nur schauspielert, daß er bloß für ein Stündchen in die Rolle des Kleinen Erdogan geschlüpft ist, könnten wir ihn glatt für einen frechen Bauerntölpel halten, der die Mahnung Scheuers zu höflichem Benehmen mehr als verdient hat.

PS: Maybrit Illner ist eine wunderbare Journalistin, sie bringt es fertig, mit sanfter Ironie auch schwierige Diskussionsphasen wieder zu beruhigen. Das setzt freilich bei den Gästen ein Minimum an Verstand, Kinderstube und gutem Benehmen voraus. Beim Kleinen Erdogan, der wahrhaftig „Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses des türkischen Parlaments“ ist, war das leider nicht vorhanden, und etwas brachialere Maßnahmen wären wohl angebracht gewesen, um ihm zu zeigen, daß er ein Gast ist und nicht etwa der Zuchtmeister seiner Diskussionspartner. Es will etwas heißen, daß am Ende sogar dem stets kühl und analytisch argumentierenden Michael Wolffsohn der Kragen geplatzt ist.

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