Ach, ein Trapattoni (seine in wunderbarem Deutsch geformte Wutrede findet man auf Youtube) könnte viel eloquenter (und feuriger!) über den Sultan im fernen Ankara reden als ich.
Aber ich versuche es trotzdem.
Die Kanzlerin hat zwei Fehler gemacht: sie hat auf die mehrfache freche Einberufung des deutschen Botschafters in Ankara überhaupt nicht reagiert, und sie hat sich nach der Ausstrahlung des unsäglichen Böhmermannschen Machwerks in einem Telefonat bei Erdogan entschuldigt. Beides wäre bei einem halbwegs demokratischen Gegenüber verständlich gewesen – aber nicht bei einem Erdogan, der sich inzwischen (so hat es den Anschein) für den König der Welt hält.
Einer wie Erdogan nimmt ein Verhalten wie das Merkelsche nicht als Höflichkeit wahr, sondern als Kotau. Es führt dazu, daß er noch dreister, noch unverfrorener wird.
Die Folgen kann jeder in der Zeitung lesen. Der deutsche Journalist Volker Schwenck wird von Erdogans Polizei 12 Stunden lang verhört, ohne daß man ihm den Grund dafür mitteilt.
Die niederländische Journalistin Ebru Umar ist nachts aus ihrer Wohnung in Kusadasi geholt und von der Polizei abgeführt worden. Sie ist inzwischen wieder frei, darf das Land aber nicht verlassen.
Was war geschehen? Frau Umar hat etwas ganz und gar Abscheuliches ans Licht des Tages gebracht. Das türkische Konsulat in Rotterdam hatte nämlich, wie man hier nachlesen kann, alle Türken in der Region Rotterdam aufgefordert, ihm mitzuteilen, wo überall in der Netzwerken der büyük lider Erdogan beleidigt worden sei. Erdogan beschränkt seine Machtbefugnisse also nicht mehr auf die Türkei, er will offenbar die ganze Welt mit seinen lächerlichen Beleidigungsklagen überziehen. Inzwischen soll es in der Türkei (wie in dem Artikel der Welt zu lesen ist) eine eigene Hotline geben, wo Denunzianten aus dem In- und Ausland Beleidigungen des Großen Führers gehorsamst melden können.
Noch schlimmer treibt es Erdogan, wenn es um den Völkermord an den Armeniern geht. Die Dresdner Sinfoniker, die für ein musikalisches Projekt über das türkische Massaker EU-Gelder bekommen haben, erleben jetzt die Macht des Sultans: die türkische Botschaft bei der EU verlangt, daß Europa die Finanzierung des Projekts einstellt und die schon bezahlten Gelder wieder einkassiert. Wird jetzt der türkische Botschafter (endlich einmal!) für diese Unverfrorenheit einbestellt? Im Gegenteil: die EU löscht die entsprechende Internetseite und drängt das Orchester dazu, seine Seite „abzumildern“ und das Wort „Genozid“ nicht mehr zu verwenden.
Feige Europäer!
Ein Böhmermann aus dem deutschen Zotenland ist Erodgan da gerade recht, und eine Kanzlerin, die nur noch Zaghaftes säuselt, um ja seine Gunst zu behalten, sollte jetzt in sich gehen. Und zwar ohne Verlierung einer Minute!
Ich sage es noch einmal: einer wie Erdogan hat in der „Wertegemeinschaft“ NATO nichts zu suchen – und in der EU, die er hämisch als „Christenklub“ bezeichnet, schon gar nicht.
Wir sind auch keineswegs politisch oder wirtschaftlich von ihm abhängig. Das Gegenteil ist der Fall.