Böhmermann im Zotenland

Nach einer neuen Umfrage sind 66 % der Deutschen gegen die Entscheidung der Kanzlerin, eine Strafverfolgung von Jan Böhmermann nach § 103 StGB wegen Beleidigung eines „ausländischen Staatsoberhaupts“ zuzulassen.

Viel Vertrauen in die unabhängige Justiz scheinen sie nicht zu haben. Dabei haben unsere Gerichte in strittigen Fällen fast immer auf Art. 5 GG verwiesen. Dort heißt es:

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.

Weniger bekannt ist aber Absatz 2 dieses Artikels:

Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Viele „User“ im Internet nehmen diese Einschränkung nicht zur Kenntnis. Aber sie hat, wie der erste Absatz, Verfassungsrang. Wo kämen wir hin, wenn wir jeden Politiker ungestraft rüde beleidigen dürften?

Böhmermann hat ja überhaupt keine politische Kritik an Erdogan geübt. Im Gegenteil: er hat allen anderen Satirikern und Kabarettisten, die politisch argumentieren, das Leben eher schwerer gemacht. Deshalb steht er auch nicht in der großen Tradition des deutschen Nachkriegskabaretts, das vom Düsseldorfer Kommödchen und Dieter Hildebrandt bis hin zu Dieter Nuhr und anderen reicht. Er steht – gerade mit seiner extremen Zotendichte in wenigen Zeilen – eher in der Tradition der deutschen „Comedians“, die alle Privatsender überschwemmen und erstaunlicherweise die Säle mit schenkelklopfenden Deutschen zu füllen vermögen.

Auf den schlechten Geschmack der Menschen kann man eben immer bauen.

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