Hatun Sürücü – oder: Über das Verdienst, ermordet zu werden

Es kommt selten vor, daß eine Fernsehdokumentation so klug, so erhellend und zugleich so berührend ist. Daß man sie erst kurz vor Mitternacht gesendet hat, ist eine Schande – aber man hat sich daran gewöhnt: bei ARD und ZDF muß man lange aufbleiben, wenn man wirklich gute Sendungen sehen will.

„Verlorene Ehre – Der Irrweg der Familie Sürücü“ schildert das Schicksal der kurdischstämmigen Hatun Sürücü, die am 7. Februar 2005 von ihrem Bruder mit drei Kopfschüssen getötet wurde. Ihr „Lebenswandel“ (so nennt es der Bruder des Mörders in fast akzentfreiem Deutsch) hatte Schande über die Familie gebracht, also mußte sie sterben. Das Gericht war von Anfang an der Überzeugung, daß die Hinrichtung ein Familienbeschluß war – man hat, wie es in mehreren ähnlichen Fällen war, den jüngsten Bruder zum Vollstrecker bestimmt, weil er die geringste Strafe zu erwarten hat. Die (auch christlich begründete!) Milde unseres Rechtsstaats mit jungen Menschen wird von diesen im archaischen Denken verhafteten Tätern mit kühler Berechnung ausgenutzt.

Die Dokumentation war gerade deshalb so brilliant, weil sie die Familie des Täters zum Reden gebracht hat. Die älteren Brüder des Mörders, gegen die es einen internationalen Haftbefehl gibt, leben unbehelligt in Istanbul. Sie stehen offenbar unter dem Schutz des türkischen Staates. Wenn man Mutlu, einen von ihnen, reden hört und ihm dabei in die Augen schaut, erstarrt man förmlich: die Kälte, die von diesem Mann ausgeht, ist kaum zu ertragen. Die Steinigung von „unzüchtigen“ Frauen billigt er, auch auf Nachfragen, sie ist für ihn ein göttliches Gesetz.

Der Mörder selbst, der jüngste der Brüder, hat sich schon ein bißchen an die deutschen Verhältnisse angepaßt, man merkt ihm an, daß er von seinem Verteidiger gelernt hat, wie man sich benehmen muß. Aber auch er ist weit davon entfernt, seine Schuld wirklich einzugestehen und zu bereuen. Auf die sehr direkten Fragen der Journalisten nach Schuld und Reue hat er keine überzeugenden Antworten, er verstummt oft für Sekunden, so als müsse er überlegen: was antworte ich jetzt am besten, damit es mir nicht schadet?

Wir wollen an dieser Stelle die Autoren nicht vergessen, die für dieses kleine dokumentarische Meisterwerk verantwortlich sind: Matthias Deiß und Jo Goll vom rbb. Ihre Namen sollte man sich merken.

Seit ein oder zwei Jahren gibt es übrigens Forderungen, in Berlin eine Straße nach Hatun Sürücü zu benennen.

Die neue baden-württembergische Ministerin für Integration, Bilkay Öney, war damals noch „migrationspolitische Sprecherin“ der Berliner Grünen. Sie, die auch heute jede Gelegenheit nutzt, um die „Islamophobie“ der Deutschen anzuprangern, hat die Forderungen nach einer Hatun-Sürücü-Straße kühl zurückgewiesen: das einzige Verdienst der jungen Frau sei es, „durch ihre Brüder ermordet worden zu sein“. Das reiche nicht.

Da bin ich aber, liebe Frau Minister, ganz anderer Ansicht.

Hatun Sürücü war das Beispiel für eine gelungene Integration. Sie war eine Deutsche geworden, und zwar nicht nur auf dem Papier wie ihre Brüder, sondern in ihrem ganzen Denken und Handeln. Sie hat sich die Freiheit genommen, über ihr Leben selbst zu bestimmen. Dafür haben übrigens auch deutsche Frauen lange kämpfen müssen – wirkliche Emanzipation wird einem nie geschenkt, sie muß immer erkämpft werden. Hatun Sürücü hat dafür mit ihrem Leben bezahlt. Sie hat bis zuletzt versucht, von Behörden, Polizei und Richtern Hilfe zu bekommen – vergebens.

Es ist also nicht ein bloßes Symbol, wenn man in Berlin einer Straße ihren Namen gibt – es wäre eine kleine Wiedergutmachung, leider post mortem. Aber nicht einmal das will man ihr gönnen.

Ich fordere:

BENENNT EINE STRASSE IN BERLIN NACH HATUN SÜRÜCÜ!

Und nicht ein kleines Gäßchen oder eine Eisenbahnunterführung – nein: benennt nach ihr eine der großen Straßen in Kreuzberg oder Neukölln! Macht es, auch wenn zehn oder hundert Integrationsministerinnen und Migrationsbeauftragte widersprechen.

Ihr seid es Hatun Sürücü schuldig.

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