Wer ein Freund Griechenlands ist, hat es in diesen Tagen nicht leicht. Ich bin ein Freund der Griechen – seit mehr als 40 Jahren. 1973 war ich das erste Mal dort, mit einem klapprigen alten Ford, und eigentlich nur auf der Durchreise. Aber dieses Land, das habe ich schnell gemerkt, ist dafür viel zu schade. Später hat uns unsere Hochzeitsreise auf den Peloponnes geführt, und wir waren auch mit unseren Kindern immer wieder dort.
Ich liebe das Land, die Menschen, und ich kenne inzwischen auch ihre Geschichte ganz gut, besonders die neuere, die 1821 mit dem (siegreichen) Aufstand gegen die Osmanen begonnen hat. Das heißt aber nicht, daß mir alles an den Griechen gefällt: daß sie zum Beispiel immer und überall politisieren, gefällt mir ganz und gar nicht, aber das haben sie wohl schon in der alten πόλις so gemacht. Eines aber weiß ich gewiß: mit dem Zerrbild, das nun seit Jahren bei uns, den reichen Verwandten im Norden, verbreitet wird, hat die griechische Wirklichkeit nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Der Grieche, so soll uns suggeriert werden, liegt den ganzen Tag faulenzend am Strand. Merkwürdig: so etwas haben wir auf den vielen Reisen nach Griechenland nicht gesehen. Faulenzend am Strand haben wir immer nur die Touristen erlebt. Die Griechen, wenn sie nicht gerade in Athen oder Thessaloniki leben, müssen körperlich hart arbeiten, um in ihrem Land zu überleben, denn der Boden ist karg. Die Alten, die im Καφενεῖον sitzen und Tavli spielen, haben oft ein Leben hinter sich, das kein Deutscher auf sich nehmen würde.
Nein, hier werden Legenden gebildet, die mit der griechischen Wirklichkeit nichts zu tun haben – mit der neuen Wirklichkeit, seit die Troika im Lande ist, erst recht nicht.
Diese Troika, auch von Merkel und vor allem von Schäuble immer wieder angefeuert und in ihrer destruktiven Arbeit bestärkt (so geht man mit den armen Verwandten im Süden halt um!), diese Troika hat Griechenland den Rest gegeben. Kein Land der Welt hätte es so klaglos hingenommen, daß die Finanzmärkte ein ganzes Land buchstäblich zu Tode sparen. Griechenland hat es hingenommen und alle ihm aufoktroyierten Maßnahmen, so gut es ging, durchgeführt. Die Troika hat so aus einem schönen und stolzen Land einen bettelarmen Staat gemacht, den man heute am ehesten noch mit den afrikanischen Armutsländern vergleichen kann. Die Versorgung von Kranken und Armen gleicht immer mehr denen in Sierra Leone oder Liberia, viele Menschen in den großen Städten wären schon tot, wenn sie nicht Verwandte auf dem Land hätten, die sie mit dem Nötigsten versorgen. Die Zahl der Selbstmorde steigt immer weiter an.
Jetzt hat dieses Land gewählt, und es hat sich mit Alexis Tsipras und seiner Bewegung ΣΥΡΙΖΑ für die Flucht in die extreme Linke entschieden. Das wird Griechenland nicht bekommen, aber so wie man das Land seit Jahren gedemütigt hat, sollte man sich eher darüber wundern, daß diese Wendung erst so spät gekommen ist. Es sind ja die sog. „Geldgeber“ (die kein Geld geben, sondern Kredite, an denen sie gut verdienen!), die das Land in diese Richtung getrieben haben.
Wie gesagt: wer Griechenland und die Griechen liebt, der hat es schwer in diesen Zeiten. Mir ist Schäuble mit seiner Eiseskälte ebenso zuwider wie der unberechenbare Tsipras mitsamt seinen Claqeuren in der deutschen Linkspartei. Ich hoffe nur, daß es dem griechischen Volk bald wieder besser geht.
Die Griechen hätten es verdient.