So könnte eine Stellenanzeige aussehen, wenn irgendwo in Europa ein neues Kabinett gebildet wird:
Ministerin gesucht. Voraussetzung: jung, weiblich, attraktiv, möglichst mit Migrationshintergrund.
So eine Anzeige findet sich natürlich in keiner Zeitung, denn attraktive Kandidatinnen sucht man im Umfeld der eigenen Partei.
Mit durchaus zweifelhaftem Ergebnis.
Nehmen wir einmal die französische Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem, die der französische Premierminister Valls letztes Jahr in sein Kabinett geholt hat. Die aus Marokko stammende Ministerin hat zwei große Ziele: die Abschaffung der Prostitution (viel Erfolg damit!) und die Abschaffung der Eliten. Die Abschaffung der Prostitution wird ihr sowenig gelingen wie den USA einst das Alkoholverbot in der Zeit der Prohibition. Deshalb stürzt sich Najat Vallaud-Belkacem jetzt erst einmal in den Kampf gegen das „elitäre“ französische Schulsystem.
Aber Eliten, chère Madame le Ministre, braucht jeder Staat, und zwar auf allen sozialen Ebenen. Das Mißtrauen gegen die Eliten und alles „Elitäre“ ist leider ein fester Bestandteil fast aller linken Ideologien. Das war schon in nuce bei Marx und Engels so (bitte nachlesen!), und es zieht sich durch die ganze Geschichte der sozialistischen Länder. Wer aus der Intelligenz kam, wurde dort immer kritisch beobachtet: man mißtraute dem Geist (und nicht einmal zu unrecht). Gebildete – wirklich gebildete – Eltern zu haben, war für Kinder im Sozialismus kein Zuckerschlecken und ihrer Karriere denkbar schädlich. Und man bezahlte Lehrer, Ärzte usw. ausgesprochen schlecht. Da, wo die linken Regime (wie in Rußland und Kambodscha) zu Schurkenstaaten wurden, massakrierte man immer zuerst die „Intelligenz“.
In Frankreich und anderen Ländern macht man das natürlich subtiler, da gibt man vor, für die Chancengleichheit zu kämpfen. Ein edles Unterfangen, nicht wahr? Aber wenn man genauer hinsieht, entdeckt man unter dem fortschrittlichen Zuckerguß auch hier nur das alte sozialistische Mißtrauen gegen den Geist.
Es ist weiter nichts als verkappter (und sehr verstaubter) Proletarismus.
Mit Elite meine ich natürlich nicht den Geldadel, also die unansehnliche Melange aus Managern, reichgewordenen „Promis“, Sportmillionären und Emporkömmlingen – ich meine damit die echte Elite, die Frauen und Männer aus Wissenschaft und Kunst, aber auch die vielen Menschen, die zum Beispiel ein altes Handwerk am Leben erhalten oder in einem der Orchideenfächer (etwa der Hethitologie) forschen – was beides, wie Madame le Ministre sagen würde, die Chancengleichheit um kein Jota voranbringt. Sie macht deshalb mit ihrer geplanten Mittelstufenreform auch der deutschen Sprache den Garaus, denn, so sagt sie: die zweisprachigen Klassen an den französischen Schulen seien elitär und würden „nur von wohlhabenden Familien genutzt“ („ces classes sont trop élitistes et ne profiteraient alors qu’aux familles plus aisées“). Wie man freilich das Deutschangebot demokratisieren will, indem man es erst einmal stark einschränkt, das wissen nur die Götter.
Natürlich hält die Ministerin – auch das schlechte linke Tradition – wenig von der lateinischen und der altgriechischen Sprache: alles zu elitär, alles nur für wohlhabende Familien. Jetzt, nachdem ein Sturm der Entrüstung über sie hereingebrochen ist, läßt sie ausrichten, sie liebe die deutsche Sprache doch!
Aber das muß sie gar nicht. Sie muß nur begreifen, daß etwa die deutsch-französische Aussöhnung nicht möglich gewesen wäre, wenn nicht so viele junge Franzosen Deutsch, wenn nicht so viele junge Deutsche Französisch gelernt hätten. Und sie sollte begreifen, daß man Kindern nicht alles aus dem Weg räumen darf, was schwierig und „elitär“ ist.
Kinder brauchen Herausforderungen, Ziele auch ganz in der Ferne. Die Hoffnung, einmal zur geistigen Elite seines Landes zu gehören, ist so ein Ziel. Und ein sehr respektables dazu.