Brief an den Genossen Xi Jinping

Lieber Genosse Xi Jinping,

gerade lese ich, daß Du als kommender großer Steuermann in China das Tibet-Problem endlich lösen willst. Da hast Du Dir viel vorgenommen! Aber Du hast den Schlüssel zu allem gefunden, das ist löblich. „“Der Schlüssel zur Lösung aller Probleme Tibets“, so hast Du gesagt, „liegt in seiner beschleunigten Entwicklung.“ Die „sozialistische Modernisierung“ Tibets müsse vorangetrieben werden, dann werde schon alles gut. Und gegen die „Sabotage- und Spaltungsversuche der Dalai-Lama-Clique und der ausländischen Feinde“ habe man ja die Polizei und die Volksbefreiungsarmee. (Übrigens ein irgendwie unlogischer Name, denn das Volk ist doch schon befreit, oder? Aber vielleicht muß es ja immer und immer wieder befreit werden.)

Ich darf Dir, lieber Genosse Xi Jinping, doch einen kleinen Rat geben? Was Du versuchst, haben in Rußland die Genossen Lenin und Stalin lange vor Dir ausprobiert. Sie haben ihr Land dermaßen entwickelt und modernisiert, daß beinahe nichts von ihm übriggeblieben ist. Ein paar Millionen Menschen sind dabei verhungert, aber so ist es nun einmal – wo gehobelt wird, fallen Späne.

Die rückständigen Mönche in Tibet, die sich in ihrer dumpfen Unwissenheit nicht so gern von Dir modernisieren lassen möchten, wirst Du schon zur Raison bringen. Das wirst Du sicher genauso wie damals machen, als Deine „Sicherheitskräfte“ ein lustiges Möncheverprügeln veranstaltet haben. Erinnerst Du Dich? Natürlich, ein bißchen peinlich ist es schon, daß der Film über diese Jagdszenen auch zum westlichen Klassenfeind gelangt ist. Da sieht man nämlich, wie die Sicherheitskräfte mit großen Stöcken auf die unbewaffneten, flüchtenden Mönche einschlagen, bis sie sich nicht mehr rühren. Aber egal, die hätten ja bei der Entwicklung und Modernisierung eh nur gestört.

Ach ja, eines möchte ich Dir, lieber Genose Xi, doch noch sagen. Du und Deine Partei, Ihr gehört, mit Verlaub, in das Gruselkabinett der Geschichte (oder sollte ich besser sagen: auf den Misthaufen der Geschichte?). Daß es Euch im Jahr 2011 immer noch gibt, daß Ihr bis auf den heutigen Tag ein so großes und altes Kulturvolk mit Euren primitiven Phrasen regieren könnt, grenzt an ein Wunder. Aber auch Wunder haben einmal ein Ende. Auch Seifenblasen platzen – man muß nur entschlossen in sie hineinstechen.

Und Tibet, lieber Genosse Xi Jinping, könnt Ihr modernisieren und entwickeln, so lange Ihr wollt. Aber dann, wenn Euch die Geschichte fortgeweht hat, wird man in Lhasa und überall im Land Fenster und Türen öffnen.

Und man wird wieder frei atmen.

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