Der Stabilitätsanker oder: Die Moral in der Außenpolitik

Natürlich darf man es sich nicht zu leicht machen. In der Außenpolitik hat man es leider auch mit Regierungen zu tun, die wenig erfreulich sind (Regime nennt man die dann meistens). Nordkorea, Iran, Sudan, Venezuela – das sind nicht gerade willkommene Partner, aber es gibt sie nun einmal, und wir müssen uns irgendwie mit ihnen abfinden. Wir müssen sie aber nicht lieben, und wir müssen sie schon gar nicht mit Waffen versorgen.

Genau das geschieht aber im Moment – mit Saudi-Arabien. Trotz Handys, Hightech und einem fast märchenhaften Reichtum herrscht in diesem Land der Geist des Mittelalters. Und diese finstere Spielart des Islam wird seit langem in alle Länder der Welt exportiert – auch zu uns.  An der Niederschlagung der Demokratiebewegung in Bahrain hat sich Saudi-Arabien an vorderster Front beteiligt.

Das Milliardengeschäft mit 200 Leopard II-Panzern hat zurecht für Aufregung gesorgt. Aber es ist ja immer noch ein mutmaßliches Geschäft, denn obwohl jeder weiß, daß es stattgefunden hat, schweigt die Regierung dazu. Erst lange danach, wenn alles schon über die Bühne gegangen ist, sollen wir offiziell davon erfahren. Aber die Lobhudeleien der deutschen Regierung auf die saudi-arabische Regierung machen auch ohne offizielle Stellungnahme klar, daß hier alles gelaufen ist.

Thomas de Maizière, unser Verteidigungsminister, nennt Saudi-Arabien „einen der wichtigsten Stabilitätsanker in der Region“ und einen „Verbündeten des Westens“. Die Kanzlerin, die bei solchen Diskussionen, wie es ihre Art ist, lächelt und schweigt, redet auf einmal – aber nicht zum Parlament, sondern zu SAT 1: es gebe in Saudi-Arabien zwar „erhebliche Defizite im Menschenrechtsbereich“ (das ist fein ausgedrückt!), aber das Land sei „von großer strategischer Bedeutung“.

Das ist eine Einstellung, die man fast in eine mathematische Formel übersetzen könnte: je größer die strategische Bedeutung eines Landes, umso weniger kümmern wir uns um die Einhaltung der Menschenrechte. In diesem Licht erscheinen die warmen Worte von Guido Westerwelle und sein medienwirksamer Auftritt auf dem Tahrir-Platz ganz besonders scheinheilig. Wenn man der despotischen Herrscherfamilie in Saudi-Arabien modernstes Militärgerät überläßt, gleichzeitig aber keinen Finger rührt, um die Demokratiebewegung in Libyen militärisch zu unterstützen, dann ist die Grundsatzentscheidung gefallen: gegen die so unerwartet stark gewordene Gegenmacht in den arabischen Ländern, für die alten Regime. Sie müssen nur ein Lippenbekenntnis gegen den „Terrorismus“ ablegen, und schon sind sie Verbündete oder gar – Stabilitätsanker.

Auch hier sieht man wieder die dilettantische, völlig visionslose Außenpolitik von Merkel und Westerwelle, die bei neuen, unerwarteten Entwicklungen beide geradezu hilflos wirken. Da begehrt zum ersten Mal eine junge, demokratisch eingestellte Generation gegen die alten islamischen Eliten auf – und was tut man? Man gibt ein paar Lippenbekenntnisse ab, enthält sich, wenn es darauf ankommt, der Stimme und stärkt jetzt sogar eines der despotischsten Regime, weil es ein „Stabilitätsanker“ ist.

In Wirklichkeit geht es hier nicht um Stabilität und schon gar nicht um Menschenrechte, hier wird der Staat zum bloßen Vermittler von großen Wirtschaftsgeschäften degradiert. Die Außenpolitik wird zur Außenwirtschaftspolitik.

Das ist erbärmlich.

Und es ist, wenn man die Zukunft bedenkt, geradezu katastrophal, denn die Zukunft der arabischen Länder wird früher oder später in den Händen der jungen, aufmüpfigen Demokraten liegen, die überall – von Marokko bis zum Iran – unter Einsatz ihres Lebens gegen die alten Despoten kämpfen.

Diese Jugend wird einmal der neue Stabilitätsanker der arabischen Welt sein.

Sie wird es nicht vergessen, daß sich Deutschland, als es sich entscheiden mußte, auf die Seite der alten Despoten geschlagen hat.

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