Goethe und das Leben nach dem Tode

Gestern habe ich wieder ein bißchen in Goethes „Gesprächen mit Eckermann“ gestöbert, was immer interessant ist und zu erstaunlichen Funden führt.

Am 4. Februar 1829 (da war Goethe schon 79 Jahre alt) drehte sich das Gespräch um das Fortleben nach dem Tode. Goethe plädiert für eine strenge Trennung von Philosophie und Religion. Die christliche Religion, sagt er, sei ein „mächtiges Wesen für sich“, sie sei

über aller Philosophie erhaben und bedarf von ihr keiner Stütze.

Umgekehrt sollte sich aber auch die Philosophie nicht von der Religion abhängig machen:

So auch bedarf der Philosoph nicht das Ansehen der Religion, um gewisse Lehren zu beweisen, wie z.B. die einer ewigen Fortdauer. Der Mensch soll an Unsterblichkeit glauben, er hat dazu ein Recht, es ist seiner Natur gemäß, und er darf auf religiöse Zusagen bauen; wenn aber der Philosoph den Beweis für die Unsterblichkeit aus einer Legende hernehmen will, so ist das sehr schwach und will nicht viel heißen.

Soweit kann man Goethe zustimmen. Religion und Philosophie haben zwar weitgehend denselben Gegenstand, aber methodisch gehen logos und Glauben ganz verschieden vor (wobei Goethes Wort „Legende“ schon ein bißchen despektierlich ist, es klingt so, als rede er wie manche Kirchenkritiker von den christlichen „Histörchen“).

Aber wirklich interessant und intellektuell aufregend wird es erst mit den darauffolgenden Sätzen des Dichters:

Die Überzeugung unserer Fortdauer entspringt mir aus dem Begriff der Tätigkeit; denn wenn ich bis an mein Ende rastlos wirke, so ist die Natur verpflichtet, mir eine andere Form des Daseins anzuweisen, wenn die jetzige meinem Geist nicht ferner auszuhalten vermag.

Ich habe ja vor einiger Zeit über „meine Gottesbeweise“ geschrieben, aber dieser, der Goethesche, kann es ohne weiteres mit ihnen aufnehmen. Die „rastlose Tätigkeit“ (ein für Goethe übrigens ganz typischer Begriff), mit der wir uns ja oft noch bis ans Lebensende plagen, hätte etwas völlig Absurdes, wenn mit dem Tod buchstäblich alles zu Ende wäre (wie es die platten Atheisten glauben). Wenn wir fast alle das ganze Leben lang tätig sind, dann doch nur, weil wir insgeheim wissen, daß wir am Ende nur in eine „andere Form des Daseins“ wechseln.

Mir leuchtet das ein.

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