„Der Islam gehört zu Deutschland“ – der Antisemitismus auch?

Ich frage das nur, weil man, bevor man einen solchen Satz ausspricht, eigentlich ein paar semantische Überlegungen zum Wort „gehören“ anstellen müßte.

Nehmen wir den Satz unseres früheren Bundespräsidenten Wulff: der Islam gehöre mittlerweile zu Deutschland. Was heißt das?

Heißt es, daß er als Religion in Deutschland bloß existiert? Dann wäre ein solcher Satz nur eine Binsenweisheit. Seit die ersten türkischen Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sind, existiert in unserem Land der Islam. Dann gehört aber auch fast jede andere Religion der Welt zu Deutschland: von Sekten wie Scientology bis zum Buddhismus.

Hat der Bundespräsident das gemeint? Ich glaube nicht. Er meinte wohl, der Islam sei inzwischen zu einem Teil unserer gemeinsamen deutschen Kultur geworden – und damit hätte er freilich keinesfalls recht. Der Islam ist eben nicht mit unseren eigenen kulturellen Traditionen verschmolzen, eine solche Inkulturation ist auch nicht abzusehen. Er ist vielmehr immer noch ein Fremdkörper, der peinlich auf seine Eigenständigkeit – und damit auf seine Fremdheit! – bedacht ist. Deshalb ist er zwar mitten unter uns, aber daß er nicht zu uns gehört, haben gerade die antisemitischen Ausfälle der letzten Tage auf eine sehr unerquickliche Weise bewiesen.

Wenn nämlich alles, was da ist, auch zu uns gehört, dann hätte Wulff auch sagen können: „Der Antisemitismus gehört zu Deutschland!“

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