Ausrotten, alles mit Stumpf und Stiel vernichten!

Ich botanisiere gerne, zwar nicht aus Profession, aber dem Dilettieren zum Trotz mit nicht weniger Leidenschaft. Und es fällt mir schwer, die Ausrottungsfeldzüge zu ertragen, die seit ein paar Jahren immer wieder von der Politik gegen vermeintlich „hochgefährliche“ und „hochgiftige“ Pflanzen inszeniert werden.

Riesen-Bärenklau

Riesen-Bärenklau

Seit langem sind es – vor allem auf kommunaler und regionaler Ebene – unsere leider nicht sehr sachkundigen Politiker, die mediengerecht zum totalen Krieg gegen irgendeine Pflanzenart aufrufen.

Wenn etwa irgendwo ein Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum, Bild rechts) entdeckt wird, darf kein Pardon mehr gegeben werden. Da sollen gleich Bataillone ausrücken (oder doch wenigstens der mit Spaten und Hacken versorgte Jugendverband irgendeines Naturschutzverbands), um alle Pflanzen samt ihren Wurzeln zu vernichten. Natürlich werden dazu die örtlichen Medien herbeigerufen, die dann sofort über das große Event berichten. Über die botanische Fachkenntnis unserer Journalisten könnte (und sollte!) man bei Gelegenheit einmal ein Archiv einrichten – das brächte viel Erheiterndes zutage.

Herbstzeitlose

Herbstzeitlose

Im Kreis Gießen hat ein ähnlicher Feldzug vor einiger Zeit die arme Herbstzeitlose (Colchicum autumnale, links) getroffen: sie sei giftig, hat man empört festgestellt, und sie könne sogar Tiere gefährden! Also will man sie ausrotten – und natürlich wird ihre Ausrottung (wir befinden uns ja in Deutschland!) „wissenschaftlich begleitet“. Jede Pflanze, so konnte man letztes Jahr in der F.A.Z. lesen, würde „per Hand einzeln aus dem Boden gestochen“. Wunderbar! Jetzt fragt man sich nur, wie die Menschheit und ihre Weidetiere Tausende von Jahren überlebt haben, ohne daß jemand Giftpflanzen per Hand einzeln aus dem Boden gestochen hat.

? Senecio sp. - GreiskrautAuch das Jakobs-Greiskraut (Senecio jacobaea, rechts) geistert schon seit langem durch den Blätterwald. Es seien Pferde gestorben, nachdem sie davon gegessen hätten, sagt man, und es gibt rührige und sehr medienwirksame Interessengruppen, die immer wieder auf die Vernichtung der Pflanze drängen.

Der Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia), einer Pflanze mit Migrationshintergrund, geht es noch schlimmer. Weil sie im Spätherbst blüht und ihre Pollen die Leidenszeit der Allergiker verlängern, kennt die menschliche Mordlust keine Grenzen mehr. Der Freistaat Sachsen hat sich inzwischen an die Spitze des Fortschritts gestellt (hier nachzulesen):

Mit dem vom sächsischen Gesundheitsministerium herausgegeben Faltblatt „Gesundheitsgefahr durch die Beifußambrosie“ soll nun die Bevölkerung über Aussehen und die Vernichtung der sich rasant ausbreitenden Pflanze informiert werden. Die Flyer werden beispielsweise über Ärzte, Gesundheitsämter, Krankenhäuser, Naturschutzverbände, Kleingartenvereine und Jugendherbergen im ganzen Freistaat verteilt.

Damit es für die Medien aber so richtig griffig wird, sagte Christine Clauß, die sächsische Sozialministerin:

Die Pflanze ist gefährlich und deshalb muss sie überall vernichtet werden.

Die Ambrosie ist ein Neophyt, also sozusagen ein pflanzlicher Asylbewerber, und sie braucht, wenn sie überleben will, offene Flächen. Sobald diese Flächen zuwachsen (durch Gras, mehrjährige Arten oder gar Sträucher) verschwindet sie von selbst. Hier bei uns habe ich sie vor einiger Zeit auf einer Brachfläche entdeckt, aber schon im nächsten Jahr war kein einziges Exemplar mehr zu finden.

Das ist also eine „sich rasant ausbreitende Pflanze“?

Wir leben im Zeitalter der Übertreibung. Nur wer laut schreit, wird noch gehört. Daß Medien und Politiker so handeln, ist nicht verwunderlich. Daß sich aber auch die großen Naturschutzverbände – oft gegen das Fachwissen der Biologen! – in den Chor der Schreier einreihen, müßte wirklich nicht sein.

Sehen wir die Sache doch einmal ganz nüchtern: in unserer Flora wimmelt es nur so von giftigen Pflanzen. Das ist eine List der Natur: mit dem Gift schützen sich die Pflanzen vor Freßfeinden. Die Menschheit hat mit diesen Giftpflanzen gelebt, seit es sie gibt. Man hat Erfahrungen mit ihnen gemacht, und man hat aus diesen Erfahrungen gelernt. Weise Menschen haben uns im Laufe von Jahrtausenden beigebracht: giftige Pflanzen ißt man besser nicht.

Einer unserer schönsten Sträucher, der Goldregen, ist giftig. Ein Exemplar hat viele Jahre in unserem Vorgarten gestanden, und niemand ist durch ihn zu Schaden gekommen. Am anderen Ende unseres Häuserblocks steht eine schöne Eibe – auch sie „hochgiftig“, aber bis jetzt hat – gottlob! – noch niemand zu ihrer Vernichtung aufgerufen. Und was ist mit den vielen Giftpilzen? Müßte man nicht auch zur Ausrottung des Knollenblätterpilzes aufrufen? Oder des Fliegenpilzes? Brauchen wir nicht sogar eine Verordnung aus Brüssel zur finalen Vernichtung jedes giftigen Krauts?

Der Mensch, das nur nebenbei, ist eine viel gefährlichere Spezies als jede Giftpflanze. Er ist auf der Erde zu einer wahren Pest geworden. Müßte man dann nicht, wenn wir schon so lustig beim Ausrotten sind, konsequenterweise auch seine Ausrottung fordern?

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1 Antwort zu Ausrotten, alles mit Stumpf und Stiel vernichten!

  1. Klaus Martin Springmann sagt:

    Informiere dich mal bei betroffenen von herbstzeitlosen und versetzt dich mal in deren Lage wenn du sie angehört hast ich hatte vor 3 bis 4 Jahren ein paar vereinzelte nun haben die sich so vermehrt auf weiden bist da Chancen los der Samen bleibt am Huf oder klauen kleben und fällt paar Meter weiter wieder ab und d s funktioniert leider zu gut vor paar jahren als ich mir über diese Pflanze noch keine sorgen machte vielleicht 10 Stück auf 50 ar gestern n Feld ausgestelckt zum was probieren auf 2.5 mal 2.5 Meter 85 Pflanzen ausgerissen und jetzt erzählSt du hier sie zu bekämpfen sei übertrieben denk mal drüber nach wenn ich da nix mache hab ich am ende 10000 auf den 2.5 mal 2.5 Meter und 85 Grashalme und 2 leguminosen

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