Jacob Appelbaum, 31, ist laut Wikipedia „ein US-amerikanischer Internetaktivist“. Seine Aktivitäten (die er als Aktivist vorweisen muß, sonst wäre er ja kein Aktivist!) lesen sich auf der Wikipedia-Seite so kryptisch wie vieles, was aus dem Milieu der allseits gefeierten „Internetaktivisten“ kommt.
Auf dem 25C3 2008 hielt er zusammen mit David Molnar, Marc Stevens, Arjen Lenstra, Benne de Weger, Alexander Sotirov und Dag Arne Osvik einen Vortrag mit dem Titel MD5 considered harmful today: Creating a rogue CA Certificate, in dem er einen erfolgreichen Angriff auf das X.509-Zertifikatssystem demonstrierte.
Auf dem 29C3 in Hamburg 2012 hielt Appelbaum die Keynote.
Appelbaum ist Gründer des Hackerspace „Noisebridge“ aus San Francisco und ist als Fotograf tätig, sowie Repräsentant der Künstlergruppe „monochrom“. Daneben engagierte er sich bei Greenpeace, der Ruckus Society und dem Rainforest Action Network.
Das ist übrigens ein Musterbeispiel dafür, wie in der Wikipedia Insider für Insider schreiben – zumindest in den Bereichen Informatik und Internet. Welche Bedeutung der Aktivist Appelbaum für die Menschheit hat, kann ein Laie diesem Artikel jedenfalls nicht entnehmen.
Seine aktuelle Bedeutung für die Medien bezieht Appelbaum aber aus der Meldung, er werde die Skulptur, die er letzte Woche anläßlich der Verleihung des Henri-Nannen-Preises bekommen hat, einschmelzen lassen. Was war geschehen?
Appelbaum hat angeblich erst jetzt erfahren, daß Nannen (wie ein paar Millionen andere Deutsche) den Nazis auf den Leim gegangen war. Nannen war gerade einmal zwanzig, als Hitler 1933 die Macht ergriff. Nach seiner journalistischen Ausbildung arbeitete er während des Zweiten Weltkriegs unter anderem als Kriegsberichterstatter in einer Propagandakompanie. Das alles ist seit langem bekannt, er selbst hat es nie geleugnet. Im Gegenteil, er hat es in einem Leitartikel sogar schärfer formuliert als seine Kritiker:
Ich jedenfalls habe gewußt, daß im Namen Deutschlands wehrlose Menschen vernichtet wurden, wie man Ungeziefer vernichtet. Und ohne Scham habe ich die Uniform eines Offiziers der deutschen Luftwaffe getragen. Ja, ich wußte es, und ich war zu feige, mich dagegen aufzulehnen.
Die Generation der heutigen Netzaktivisten konnte von klein auf in luxuriöser Freiheit schwelgen. Wieviele von ihnen damals den Mut zum Widerstand (unter Einsatz ihres Lebens!) gehabt hätten, kann man heute nicht sagen. Aber die Erfahrung spricht dafür, daß es nicht viele gewesen wären. Ich wünsche uns allen, daß wir eine solche Mutprobe bis zum Ende unseres Lebens nicht bestehen müssen.
Über die Keckheit freilich, mit der heute 20- oder 30jährige Männer, die (zum Glück!) nie in einem totalitären Staat leben mußten, über die Kriegsgeneration kurzerhand den Stab brechen, muß ich mich schon wundern. Da ist so gut wie kein geschichtliches Wissen da – und noch viel weniger Einfühlung in die Lebensumstände unter einem Regime, das mit einer perfiden und ausgeklügelten Demagogie gerade die Jugend auf seine Seite gezogen hat.
Henri Nannen hat zusammen mit Rudolf Augstein und einer Handvoll anderer Journalisten nach dem Krieg die freie Presse in unserem Land aufgebaut und zeit seines Lebens verteidigt. Seine Enkelin, Stephanie Nannen, hat das vor kurzem sehr schön beschrieben (hier nachzulesen). Das allein schon (und erst recht der ehrliche Umgang mit seinen Jugendsünden!) müßte doch genügen, um selbst einen jungen geschichtsfernen Amerikaner von peinlichen Aktionen abzuhalten.
Am Ende wird man sehen, ob auch Appelbaum einmal auf eine Lebensleistung zurückblicken kann, wie Henri Nannen sie sich, der Verführbarkeit in seiner Jugend zum Trotz, erkämpft hat.