Putins Überfall hat auch sein Gutes

Gutes hat Putins Überfall auf die unabhängige Ukraine natürlich nicht für die Menschen, die dort leben (nicht einmal für die Bewohner der Krim, die vergebens von blühenden Landschaften träumen). Aber die kaltschnäuzige militärische Intervention des „lupenreinen Demokraten“ Putin bringt zumindest für uns im Westen einen großen Erkenntnisgewinn.

Zunächst einmal: wir wissen jetzt, mit wem wir es zu tun haben. Und das ist gut so! Die großen Putin-Versteher haben ausgespielt (auch wenn sie – wie aus Trotz – jetzt noch einmal durch die Talkshows tingeln). Putin ist entlarvt – denn larva bedeutet im Lateinischen soviel wie Maske, und die Maske des kraftvollen, aber demokratischen Führers hat Putin jetzt fallenlassen. Von allem, was er an Fassade um seine Person aufgebaut hat, ist nur noch die nackte Gewalt übriggeblieben. Ein paar Brosamen wirft er seinen Gegner noch vor die Füße (Schutz der Russen! Unsere Geschichte! Nur eine Wiedervereinigung!), aber wer damit im Westen den brutalen Bruch des Völkerrechts à la Prag 68 rechtfertigt sieht wie etwa Sahra Wagenknecht, sollte am besten einen guten Therapeuten aufsuchen.

Nicht nur Putin ist also demaskiert, sondern auch seine heimlichen und offenen Unterstützer und Verharmloser im Westen. Sie gebärden sich (gerade deshalb!) im Moment besonders aggressiv, denn mit einem Schlag werden die Scheuklappen sichtbar, die sie aus verschiedenen Gründen tragen: alte Kumpanei mit der Sowjetunion, dummer Antiamerikanismus, aber auch finanzielle Interessen.

Sein Gutes hat Putins Coup auch, weil er den Westen endlich zwingt, eine vernünftige Strategie gegen Putin zu entwickeln. Nicht gegen Rußland – gegen Putin! Das hätte er nämlich gern, daß man ihn mit Rußland gleichsetzt, aber allein die 50.000 Russen, die am Sonntag in Moskau gegen seine Machtpolitik demonstriert haben, zeigen, daß selbst ein Autokrat wie Putin, daß selbst die Gehirnwäsche seiner gleichgeschalteten Medien nicht in der Lage ist, die Gehirne aller Untertanen auf ewig einzulullen.

Überhaupt ewig: das ist auch so eine Vorstellung autoritärer Herrscher: für sie ist alles ewig. Kaum hat Putin die Krim annektiert, schon ist sie ein „untrennbarer Teil Rußlands“. Alles ist untrennbar und für immer. Aber die Geschichte lehrt: das ist nur dummes Geschwätz. Nichts ist ewig! Alle großen Reiche der Geschichte sind untergegangen. Fast alle großmäuligen Herrscher haben ein schlimmes Ende gefunden. Und gegen den Drang zur Freiheit, der den Völkern eingeboren ist (auch wenn man ihn eine Zeitlang mit Gewalt unterdrücken kann), ist kein Kraut gewachsen.

Männer wie Putin sind Sprinter, sie kennen nur den schnellen Weg ins Ziel. Wenn es sein muß, mit dem Sturmgewehr im Anschlag. Demokraten sind Langstreckenläufer. Auf den kurzen Strecken sind sie hoffnungslos unterlegen, aber am Ende siegen sie immer.

Das, lieber Genosse Putin, du KGB-Offizier der alten Schule, sei dir ins Stammbuch geschrieben. Jetzt, da deine larva nicht mehr da ist, hast du auch deine Tarnung aufgegeben. Wir sehen jetzt dein wahres Gesicht. Und das ist gut! Du bist nämlich kein Europäer, und erst recht kein Demokrat. Du bist immer der alte Sowjetmensch geblieben.

Europa sollte deshalb endlich aufhören, diesen Herrscher irgendwo einbinden zu wollen. Natürlich muß man mit ihm reden (man redet ja mit den schlimmsten Diktatoren), aber wie einem ungebärdigen Kind muß man ihm zeigen, wo seine Grenzen sind.

Die rote Linie ist durch Obama ein bißchen in Verruf gekommen, aber sie ist gerade bei einem Autokraten wie Putin dringend nötig. Sonst stehen seine vermummten Krieger bald in Kiew und Lwow – und wer weiß wo sonst noch.

Wir sind hier in Mitteleuropa durch die lange Friedenszeit verwöhnt wie sonst kein Kontinent. Viele von uns haben vergessen, daß Frieden und Demokratie immer in Gefahr sind, auch in Europa. Auch deshalb hat Putins Intervention ihr Gutes: nichts ist selbstverständlich – ein Leben in Frieden und Wohlstand schon gar nicht.

Danke, Putin!

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