Die folgenden Sätze stammen von Markus Sambale, der für das ARD-Hörfunkstudio in Moskau arbeitet.
Die Europäische Union und die USA sind mit ihrer Mischung aus Appellen und Drohungen krachend vor die Wand gefahren … Der Westen muss seine Erwartungen herunterschrauben: Die Krim ist bereits verloren, egal ob sie sofort ein Teil Russlands wird oder noch eine Weile unabhängig bleibt. Den kompletten Rest der Ukraine in den Westen zu integrieren, dafür ist es ebenfalls zu spät.
Dafür ist es keinesfalls zu spät. Der Westen hat mit seinen Verhandlungsangeboten, die intensiv und umfassend waren, alle diplomatischen Möglichkeiten ausgeschöpft. Daß er damit „krachend an die Wand gefahren“ sei, ist eher die Putinsche Sicht der Dinge. Es ist wie bei einer Geiselnahme: der Täter ist bewaffnet, er bedroht Menschen, die er in seiner Gewalt hat, also wird man erst einmal mit ihm verhandeln und die Möglichkeiten zu einer friedlichen Lösung ausloten (ohne sich freilich Illusionen zu machen!). Erst dann kommen die nächsten Stufen.
Demokratische Länder sind auf den ersten Blick immer im Hintertreffen. Sie können nicht, wie der Täter, schnell und gewaltsam handeln. Alles an ihnen ist langwierig, man muß beraten, abstimmen, sich an das Recht halten. Der Täter muß das alles nicht, er hat seine Waffe, das reicht ihm.
Aber auf längere Sicht werden sich diese langsamen, umständlichen Demokratien auch gegen einen Putin durchsetzen. Niemand wird die Annektierung der Krim anerkennen (außer ein paar Schurkenstaaten), und der Jubel wird auch ihren Bewohnern bald vergehen. Wenn man die Interviews mit ihnen hört, hat man den Eindruck, daß Rußland für sie aus blühenden Landschaften besteht.
Sie werden, wenn die Euphorie der Wirklichkeit weicht, ihr blaues Wunder erleben.
Und dem Herrn Auslandskorrespondenten sollte man einmal in Erinnerung rufen, daß er in seinem deprimierenden und gerhardschröderesken Kommentar darüber schweigt, daß hier offenbar der Realpolitik nicht nur das Selbstbestimmungsrecht des ukrainischen Volkes geopfert werden soll, sondern das Völkerrecht gleich dazu.